Matze Schmidt
Erste Gedanken zu
Dierk Spreen's. Tausch, Technik, Krieg, – Die Geburt der Gesellschaft
im technisch-medialen Apriori. Berlin: Argument, 1998.
ein Triple im Titel, warum nicht Tausch, Technik, Krieg, Trieb? Das
Buchcover zeigt grüne Massenmenschen ohne Gesichter, die in eine Richtung
gewandt stehen, gehen. In einer Rezension, in einer Ästhetik&Kommunikation-Nummer
von 1998 ?, wird das Buch als Antwort auf Kittler's Medien-Materialismus gewertet.
Dierk Spreen ist Redakteur von Ästhetik&Kommunikation.
Gleich auf der ersten Seite (S. 7) wird Kittler als Thesenheiliger zitiert, das
Bild vom Menschen als Herrscher über das, was Medien gennant wird, ist obsolet
geworden bei den jetzt uns beherrschenden Gesetzen – damit meint er probrietäre
Software und die Programmierung des Users (nicht nur) durch Microsoft.
Dierk Spreen (= S) macht Diskursanalyse, eine Methode, die u.a. auf Michel Foucault
zurückgeht. Ein Diskurs, die Gesamtheit einer Debatte, aller Diskussionen
über ein Thema wird analysiert, zumeist historisch rekonstruiert, um die
Bewegungen und Schwerpunkte des Diskurses herauszufinden, oder eben ebenfalls
zu konstruieren. Damit tritt der Autor selbst in den Diskurs ein, den er kritisiert
bzw, baut an ihm mit. In der Einleitung auf Seite 8 wird das Medien-Apriori,
um das es hier geht, das mediale Axiom, was sich so, oder so ähnlich auch
bei Flusser oder Luhmann finden läßt (a la "Alles was wir wissen,
wissen wir aus den Massenmedien"), in einen kritischen Bereich gestellt,
indem dem technisch-medialen Apriori der Charakter eines Leitgedankens für
gesellschaftlich orientierte Kulturwissenschaften zugeschrieben wird, ihm aber
gerade deshalb quasi wieder abgedacht werden soll. Dann stellt S zwei
wichtige Fragen: Woher kommt die Medientheorie als technische innerhalb der Gesellschaftstheorien
(klassisch: Gesellschaft wird durch Ökonomie und Politik bestimmt)? Und wie
funktioniert sie? S situiert (ein beliebtes Wort in der philosophischen
Soziologie, es verweist auf die Stellungspiele, wie sie in Theoriedebatten als
basale Technik angwendet werden, angewendet werden müssen, da es sich um
einen abstrakten Vorgang handelt) die derzeitig tonangebende, europäische,
insbesondere die deutsche Medientheorie als eine, welche die Karriere des Computers
zur bestimmenden Zäsur und zum Gesellschatsbestimmenden Element machte. Diese
Technologie jedoch rückt laut S in eine Diskursstelle ein, die schon vorher
bestand und sich seit dem 19. Jahrhundert herausbildete. Nochmal: die
Medientheorie von Kittler bis Flusser bestimmt technische Medien als gesellschaftsbildende
Dinge, diese sind der Gesellschaft und ihren Verfahren vorgängig. Ihr Leitmedium
ist der Computer als universelle Maschine, mit einer ihr zugestandenen Eigendynamik.
Spreen sagt: vor dieser Setzung (etwa seit Mitte der 1980er Jahre) gab es die
Idee der Setzung eben dieser Art. S sucht demnach das Apriori zu entkräften,
indem er einen Vorläufer findet, um es so historisch und damit nicht einmalig
oder gar prinzipiell wirken zu lassen. Archäologie ist die Stärke
der Soziologen, deren größtes Argument immer die geschichtliche Einbettung
von Stellen, Feldern und geisteswissenschatlichen Gesetzen ist. Wer hat was
warum wie und wann gesagt? ...
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