Die offizielle Brrblb des UFA-UFOs Kassel. Freitag, 17. Maerz 2000, 19:00 Uhr zwischen 18:30 und 19:00 Uhr vor dem UFA-Palast in Kassel Am 17. Maerz 2000 hatte der Film "Marlene" von Regisseur Joseph Vilsmeier in Kassel Premiere. Die Premierenparty, gleichzeitig die offizielle Eroeffnung des UFA Palast Kassel, war ueberschrieben mit "Goetterreigen". Es wurden 400 prominente Gaeste geladen, 600 Karten zum Preis von 45,- DM standen zum Verkauf. Gegen 18:30 packte auf dem Karlsplatz in Kassel ein schwarzgekleideter Mann ein Megaphon aus und warnte die ankommenen Gaeste der Premierenfeier des Films "Marlene" vor Aliens im UFA-UFO. Der Polizist Slama vom 1. Polizeirevier Kassel erkannte die "Vermischung von Politik und Kunst" (Zitat), nahm aber (unberechtigt?) die Personalien des Aktivisten auf, mit der Begruendung, er habe eine Rechtsgrundlage. Eine Filmstudentin sammelte mit Schild und Sammelbuechse vor der Treppe zum Haupteingang des Kinos Geld fuer ihr Projekt, das _Kapital_ von Marx zu verfilmen und machte einen Gewinn von ca. 50,- DM. Ein netter junger Mann zeigte ein Foto von den zwei unbekannten Frauen herum, die auf dem beruehmten Film-Still aus "Der blaue Engel" hinter Marlene Dietrich (Lola) auf der Buehne sitzen und fragte nach deren Namen. Die er- und gefundenen Namen wurden von den Passanten als Autogramm auf die Karten geschrieben. Um etwa 19:15 kam ein gelb-orange bedruckter 60er Jahre VW-Bus von "Radio XXL" (HR 3, Hessischer Rundfunk) auf den Platz gefahren. Der Fahrer fragte was hier los sei und bot den 'Protestierenden' spontan seine Musikanlage zur Verstaerkung an, er wurde dann aber leider von den Polizisten zum Verlassen des Platzes aufgefordert, er sollte sein Fahrzeug nicht direkt vor dem Eingang des Kinos abstellen. Der Fahrer hatte den Auftrag, vertragsgemaesz mit der UFA-Theater AG abgemacht, Gummibaerchen an die Gaeste des Kinos zu verteilen! Der Versuch einer Frau, getarnt mit Videokamera, weisze Mauese in das UFA-Kino einzuschleuszen scheiterte an Tierschutzargumenten und der optischen Auffaelligkeit des improvisierten Kaefigs. Die Stufen der Treppe zum Eingang wurden vom Personal des Kinos zwischenzeitlich mit kleinen Fackeln bestueckt. 3 Security-Maenner standen permanent vor dem Eingang. Ein Fotograf der oertlichen Tageszeitung schosz durch das Fenster vom ersten Stock aus verschaemt Fotos der Aktion. Insgesamt wurden etwa 150 bis 200 eintreffende Personen gezaehlt, unter ihnen der Oberbuergermeister der Stadt Kassel, Vertreter des Freien Radio Kassel, und Kunststudenten. Auszuege aus der Rede: Achtung! Achtung! Sie betreten jetzt extraterrestrisches Gebiet. Zeigen sie ihren "Personal Barcode" und blicken sie in die Überwachungskamera! Die Aufnahmen werden spaetestens nach 24 Stunden wieder geloescht, falls keine Strafanzeige eingeht. Diese Aktion wird ihnen praesentiert von CDU, SPD, RTL und Bertelsmann. Unser Plan: Protest simulieren, Ins Fernsehen kommen! Ich habe das Megaphon in der Hand und spreche und skandiere vor dem Haupteingang des UFA-Palast situationsabhaengig vorbereitete Parolen, Sprueche und Redepassagen in denen eine ironisch-parodistische Kritik an den derzeitigen kulturpolitischen und sozioaesthetischen Verhaeltnissen enthalten ist, es werden Namen und Zahlen genannt; zwischendurch wird der Klang eines eines Lasers verstaerkt - Schuesse auf das UFA-UFO! Film-Soundtracks werden abgespielt. (...) UFOs kommen und gehen. (...) Sie sind 'in Wahrheit' UFAs, Unidentified Flying Abjects, Nichtidentifizierte Fliegende Abjekte. Das Abjekt ist das Ekelhafte, das, was wir loswerden wollen, was man loswerden muß, was losgeworden wird, die Scheisse. (...) "Das Grundgesetz sagt in Artikel 21a, Absatz 1: 'Die Unternehmen wirken bei der aesthetischen Bildung des Volkes mit. (...) Ihre innere Ordnung muss kuenstlerischen Grundsaetzen entsprechen. Sie muessen ueber die Herkunft und Verwendung ihrer Medien sowie ueber ihr Vermoegen oeffentlich Rechenschaft ablegen.'" Wim Wenders Film "The Million Dollar Hotel" eroeffnete am 09.02.2000 die 50. Jubilaeums- Berlinale und schwelgte dabei in Potsdamer-Platz Nostalgie: Zitat "Dolle Sache!", wobei er Bundespraesident Johannes Rau in die feuchten Augen blickte, dem Ex-Kultusminister, der einmal Joseph Beuys aus dem Staatsdienst entließ, weil der einfach alle Studenten, die sich bewarben, in seine Klasse aufnahm und so den Rahmen der Duesseldorfer Kunsthochschule sprengte. Dieser Praesident "wuenscht" sich mehr Vielfalt im Film, dem subvenbtionierten Top- Produkt deutscher Kultur, wobei aber voellig indifferent bleibt, was er eigentlich mit "mehr" meint. Meint er multikulti Filme, mehr Alibi-Juden im deutschen Kino? Oder meint er mehr Schokolade? Es geht ihm um die Bekaempfung von Hollywood mit Mitteln Hollywoods. Die deutsche Filmindustrie wird schließlich den Endsieg erringen. Wie waers mit Videokameras und Geld fuer 1000 billige Undergroundkinos in der Republik? Dilletanten ans Machtnetz. Leo Kirch spendet eine Million dafuer! (...) Die Deutsche Bank und die Dresdner Bank fusionieren zur Deutschen Bank mit dem Gruenen Band der Sympathie. Die Dresdner Bank leiht nicht nur Geld, sie besitzt auch Immobilien, ihr gehoert das Gebaeude des UFA-Palasts in Kassel. Die Deutsche Bank wird Filialen schließen und Entlassungen vornehmen. Der Oberbuergermeister der Stadt Kassel ist jetzt fuer den Standort Kassel der Deutschen Bank, er hat Angst vor dem Abgang. Das ist "Stadtmarketing". (...) Das alles waehrend in der "documenta-Stadt" Kassel ein Kulturhaus, das 1997 zur Letzten documenta noch als Sponsoringwuerdig galt, gestern am Public-Private- Partnership scheiterte und heute wieder in den Besitz der Stadt uebergeht, die kurz zuvor auf ueber eine Million Abloesesumme fuer Parkplaetze verzichtet, um sich ein UFA-UFO Multiplex in die City zu holen. Oh, "Wiederbelebung der Innenstadt". Der UFA-Palast fuer's Volk ist »The One Million Dollar Kino«, es wird nach der Diktatur wegen Asbestverseuchung abgerissen werden. Zeitgleich sitzen kleine Projekte im Kulturamt und verhandeln um 20.000 Mark im Jahr!, die bei Dr. Soundso von der Bank Soundso sie auch noch selbst erbetteln muessen. Herr Kulturdzernent, ich will auch was von den 2,1 Millionen, die sie in den naechsten 3 Jahren fuer das Kulturhaus der Stadt Kassel ausgegeben! (...) 600 Karten fuer jeweils DM 45,-. 45 x 600 = 27.000 DM, Sie "Liebe Gaeste!" finanzieren die Premiere heute abend! (...) Die UFA-Theater GmbH & Co. KG, vormals Universum-Film AG, kurz Ufa genannt, wurde 1917, also noch im 1. Weltkrieg, als Propagandamaschine gegruendet, das Deutsche Reich war mit sieben Millionen Reichsmark (RM) beteiligt. Der UFA-Palast Kassel wird von der Ufa- Theater AG betrieben, die Immobilie gehoert der Dresdner Bank. Die Ufa-Theater AG gehoert zur Holding CLT-UFA. An der CLT-UFA hat die Bertelsmann AG indirekt Anteile von 50%. Die CLT-Ufa, mit 22 Fernseh- und 18 Radiosendern Europas fuehrendes Rundfunkunternehmen, hat 1999 ein Rekordergebnis eingefahren. Wie die Holding, an der neben der Audiofina des Belgiers Albert Frère die deutsche Bertelsmann AG beteiligt ist, am Freitagabend in Luxemburg mitteilte, lag der Ertrag bei 415 Millionen Euro (811,6 Millionen Mark). (...) Ich habe Aversionen gegen die "Neuen Nazis". Es gibt seit dem Fall der Mauer und wiederbelebt durch den Kosovo-Krieg im mitteleuropaeischen Raum und speziell im Deutschland der "Neuen Mitte" einen Konsens der Großkultur, von der Berlinale bis zur documenta, der vom Staatsminister fuer Kultur Michael Naumann, der politischen und kuenstlerischen Spitze Deutschlands - Bundespraesident Johannes Rau und Wim Wenders - mit hollywoodscher Gruendlichkeit gefeiert wird. In der documenta-Stadt Kassel wird diese Kultur reproduziert durch: Die kommerzielle Besetzung des staedtischen Raums durch das neue UFA-Kino auf reale Kosten und zu soziokulturellen Lasten der Kommune; die feudalistische Finanzierungsstruktur ausgesuchter Kultureinrichtungen bei gleichzeitiger Vernachlaessigung der "freien Szene"; huebsche Kinderspielplatzfototermine des Oberbuergermeisters statt Kommunikation ueber die Probleme des oertlichen Drogenvereins. (...) Und Joseph Vilsmaier der Filmproducer? Erst das Landserpathos von Stalingrad, dann die "Comedian Harmonists" als Wiederbelebung der guten Deutschen und nun die Dietrich, der einzige deutsche Weltstar des 20. Jahrhunderts, den der Film heimzuholen versucht, obwohl sie nie nach Hause wollte. "Das ist nicht mein Film!" Marlene Dietrich "mehr als jeder andere große Star eine Erfindung des Kinos", jetzt nochmal in der Mythosretromaschine. Ein Wiederholungszwang des Glamour. Das Product Placement: Dessous von La Perla, Trachten von Lanz, Roben von Escada, Autos von Mercedes-Benz, Hauptdarsteller von Sony.
XTV: "The Million Dollar Kino" > radio10012000 > http://www.clt-ufa.com http://www.ufa.de/ http://www.bertelsmann.de |