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Fr., 23. Mai 3000

> Marshall McLuhan's "Pfingstwunder weltweiter Verstaendigung und Einheit."

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"Ubiquit"aer

Das Ubiquitaere Netz ist die Vorstellung Marshall McLuhan's aber die von Siemens, etc. --- Wichtig sind hier die darin enthaltenen Anteile der Vergesellschaftung des Kommunikativen. Die Band 38317 schlaegt entgegen dem Begriff und Begreifen eines allgegenwaertigen Computer-Netzwerks, das ueber den Mix mobiler Computer/PDAs + Mobiltelefone und Funk verwirklicht wird, einen Spielraum voller Gadgets vor, mit denen Rund um die Uhr und ueberall gespielt werden kann. Der darauf anspielende, mit billigen Kaufhausmusikinstrumenten und Notebook produzierte Track "Ubiquit" funktioniert als singulaerer Pseudo-Hit und als nahtlose Endlos-Schleife. Der Loop, der oft als wichtigste Komponente elektronischer Musik die Wiederholung gewaehrleistet, ist der Track selbst. Geloopte Tracks sind auch die in billigen Keyboards fest abgespeicherten Demos, die das Klangerzeugungs- und Spielpotential des Geraets vorfuehren sollen. Diese technische 'Selbst'vermittlung des Geraets automatisiert das Marketing. Das Yamaha Percussionpad DD-35 geht sogar soweit, die Spielweise mit "anschlagdynamischen Leuchtpads" ( www.yamaha-europe.com [02.02.2003]) zu illustrieren, womit die Reihenfolge der rhytmisch anszuspielenden Schlagflaechen visualisiert wird und dem visuellen Gedaechtnis verstaerkt wird. Die Erfahrung des Spiels wird auf eine simple Weise affektiv quasi multi-medial. Jeder Schlag ein optisches Ereignis. Das Geraet soll eine Option eroffnen, die Entscheidung abzunehmen, welche Reihenfolge gespielt werden soll. Man koennte von einer Rationalisierung des Spielens sprechen. Mahlen nach Zahlen, Trommeln nach Lichtzeichen.

Es geht der Gruppe nach eigenen Aussagen nicht um den Ersatz eines Terminus durch einen anderen, sondern um die "Artikulation einer Handlung, die wir sowieso betreiben", wie sie im E-Mailinterview schreiben. ~ Deutung: Ihre Ironie liegt dabei vielleicht mehrfach offen: einmal beziehen sie sich adaptierend auf die Traeume einer globalen Kommunikation gleicher, d.h. gleichberechtigter und gleichbefaehigter Kommunikationsteilnehmer ... Zu fragen waere, ob es mit -> Habermas' "Theorie des kommunikativen Handelns" in der Debatte um "Mediatisierung" und das Komplementaer "Medien-Kompetenz", sowie die Produktivmittel in Verbindung mit der Fantasie des globalen allgegenwaertigen Netzwerks ("Evernet"), um die Ideologie einer "idealen politischen Demokratie" [1] geht.

Sie kritisieren diese Vorstellung indem sie sie affirmieren und in ein Modell des globalen Spielzeug-Raums um- und ueberdrehen, womit sie den Charakter der Ernsthaftigkeit weltweiter Daten- und Energie-Netzwerke infantilisieren. Und zum zweiten betreiben sie tatsaechlich das Spiel mit industriellen Werkzeugen und Instrumenten. Oberflaechlich stimmt ihr Sound etwa mit dem 'Stand der Dinge' der Heimproduktionsmittel von ca. 1994 und Elektro oder Rap aus den 1980ern ueberein, womit sie sich der Forderung nach avantgardistischer Klang(er)findung verweigern, diese zugleich jedoch erfuellen, oder erfuellen wollen. Denn nach dem zyklischen 'Retrotrend' des Pop sind jetzt 2003 die 1990er Jahre an der Reihe, wiederholt/neu ausgebeutet zu werden. Die Bearbeitung der Klaenge klingt jedoch nach der dilettantischen Handhabung des Hobbymusikers und Wohnzimmerproduzenten, und der angedeutete Mix klingt ungelenk und altbacken, wie Grandmaster Flash 1981. Das Ergebnis wuerde man als "Trash" bezeichnen. Jede Rhythmusfigur vom Reverse bis zum Pitch, und die Samples sind mit den leicht zu modifizierenden Presets eines einigermaszen avancierten Audiobearbeitungsprogramms realisierbar (z.B. Sound Forge). Die Nutzung dieser Voreinstellungen (Presets) korrespondiert mit der pauschalisierenden "Voreinstellung" des rationalisierten Musikinstruments, dessen Vorteil darin liegt unterkomplex aufgebaut zu sein, so dass intuitiv damit gearbeitet/gespielt werden kann. Die Simplizitaet des so entstehenden Rhytmus kann dann kompensiert werden, indem er - wie im Breakbeat, Trip-Hop usw. - nochmal rhytmisiert, d.h. in Abfolgen gebrochen und nocheinmal in neue Sequenzen zerlegt wird. Das Industrielle liegt im rationalisierten Standard-Instrument, das Postindustrielle im Schritt der Individualisierung des Materials. Man kann sagen, dass es sich bei dieser Re-Rhythmisierung exemplarisch um die oekonomische Aneignung und Verwertung eines symbolischen Materials handelt. Die Frage ist nur, woher stammt diese Material? Und was bedeutet Aneignung?

Aber man kann noch mehr aus einem klischeehaften Track und seiner Distribution herausholen": Die schnell in ein paar Stunden produzierte Musik ist mit Supermarkt-Laptops, Kaufhausinstrumenten und auf dem Schwarzmarkt, per Tausch und Raubkopie erhaeltlichen Mitteln gebastelt worden. Die verwendete Software, Musikinstrumente, Aufnahmengeraete und Computerhardware ist Ueberschuss und Ausschuss. Sind sie damit Teil eines elitaeren Levels der Aneignung? ~ Diese "Bricolage" (Lévi-Strauss) mit und aus Versatzstuecken und die Distributionsweise steuert eine bestimmte Vorstellung der Praxis von Aus-Tauschgesellschaft an: De- und Rekontextualisierung sind auf die restriktionsfreie Verfuegbarkeit des Materials angewiesen und fordern das, unterliegen aber der Macht des Supermarkts. Die so entstandene 'Ware' verteilt 38317 auf selbstgebrannten CDs frei und anonym. Das Ende von Tausch ist damit jedoch nicht erreicht, denn diese privaten hobbyistischen Produktionsverhaeltnisse sind systemisch gebunden an das kapitalistische Hintergrundrauschen. In der Differenz von diesem zum Professionellen koennte man sich die Band als Formulatoren eines auditiven "Dogma" analog den "Dogma"-Filmen vorstellen - waehrend sie in der Woche Werbejingles produzieren spielen sie am Wochenende kritische Theorie. Dieses Schema findet man auch im Ursprungsmythos der Open Source und GNU/Linux, wo lohnprogrammierende Profis in ihrer Freizeit nichtkommerziellen Software-Code kollektiv herstellen.
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[1] Jeffry Alexander. "Habermas' neue Kritische Theorie: Anspruch und Probleme". in: Axel Honneth und Hans Jonas (Hg.). _Kommunikatives Handeln: Beitraege zu Juergen Habermas' "Theorie des kommunikativen Handelns". Frankfurt am Main: suhrkamp, 1986. S. 95 ."

ubiquit.mp3 (mit freundlicher Genehmigung von 38317)


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Last modified: Mo., 07.07.2003 23:46