RadioHandyRadio
In
einem Environment aus frischer, gruen-weisz-beige-rot-blauer Corporate
Identity.
Auf dem Ruecken einer Jacke steht "FUTURE". Der Verkaeufer hat
seine
4monate alte Tochter auf dem Arm, er dreht seinen braungebrannten
Kopf zum
Kunden. Hinter ihm das Plakat individuellen Tunings grenzenloser
Vernetzung.
Auf der runden Theke liegt eine SIM-Karte. Auf ihr ist der
Cartoon mit dem
Mann mit der Gurke in der Hand abgebildet, der sagt
"Bitte, Lieber Gott,
lass sie klingeln!".
Ein paar thetische (All)Gemein*plaetze*: Raumwesen
erobern Raum nicht, sie
stellen ihn zunaechst her, um ihn dann in Besitz zu
nehmen, um sich oder
irgendetwas auf ihn zu projizieren. Oder genauer, sie
benutzen ihn als
Medium. Sie benennen ihn, erfinden damit Stellen & Orte
und benehmen
sich in diesem Raum damit identifikatorisch. Das heiszt, Raum
ist nicht
a priori einfach da, er wird permanent codiert, und wirkt permanent
codierend. Das kann z.B. gut aus Christoph Columbus' Logbuch
herausgelesen
werden: Ich nenne diese Bucht soundso, ich nenne diese
Insel soundso. Der
sog. OEffentliche Raum existiert nicht an sich, er
ist Produkt, ein historisches,
dialektisches, komplex und "irgendwie
kybernetisch". Graffitty-Writer;
Piratensender und -empfaenger;
Modesampler; Kids, die mit Laserpointern herumspielen;
sie eroeffnen,
indem sie auf Leute zielen, zuerst die raumzeitlichen Relationalgefuege,
die aus #Zwischenraeume#n [Raum = distinkter Raum] bestehen.
[Diese Zwischen-Raeume
= Prozesse+Verknuepfungen werden - durch
Prozesse+Verknuepfungen - machtraeumlich
verfestigt = besetzt.] Alles
was mit Begegnung, Treffen, Kommunikation zu
tun haben koennte wird
entsprechend fraktal [lesbar]. Es zerfaellt demnach
kein Ganzes, sondern es
gibt immer schon nur Teile. Computern, als Medium
des Als-ob, kommt ein
aehnlicher Status zu, ihre Medialitaet ist der technische
Entzug ihres Status,
der nur durch Bezugnahmen zum Simulierten entstehen kann
[symbolische
Maschine, Immaterialitaet]. Handys, Mobilfunktelefone, drehen
diese offene
Diskursstelle um. Sie verdichten medialen Raum, weil sie ihn
auf bestimmte
Funktionsweisen komprimieren und gleichzeitig durch die Erhoehung
von
Effizienz erweitern, ihn intensivieren [neue Kartografien auf alten Verteilungen?].
Davor hatte der Staat 1999/2000 in Wien, als Demonstranten von der Polizei
die Handys zertreten wurden, und 2001 in Goeteborg, als Polizei SMS-
Netz
als Konspriration verfolgte, Angst, und damit wollen die Unternehmen
ihren
Marktanteil jetzt vergroeszern [haengen Independent-Media-Konzepte
irgendwie
dazwischen?]. Wenn Gadgets wie Mobiltelefone metaphorisch an
Phantasmen wie
den AEther, die Noosphaere oder den Frequenzsee
angeschlossen werden, dann
werden sie ideologisch und soetwas wie de-codierbar.
[Ich meine und will also
kein utopistisches Modell von Radio entwickeln!]
De-Codierbar als das technisch-mediale
Apriori, das sie als Divergenzmedium
(?) im Zeitalter postulierter Konvergenzen
sind. [Ich schlage vor, Radio
definitorisch anders zu besetzen. Und zwar nicht
als Broadcasting-Prinzip,
sondern in der Verschaltung mit Handy als dem Multiplex-Prinzip,
als:
Crossmedium mit hybriden Zugaengen.]
~ Kampf um Raum in Frage stellen!,
denke ich. [Denn welcher ist der Raum um
den man kaempft?] Eine Epistemologie
der Medien ist ohne Oekonomie der
elektronischen Raeume nicht denkbar (->
Sassen und so) - mediale Oekonomie,
oder medialistische Oekonomie, oder Oekonomie
der Medien. Gibt es das schon
als Disziplin? Oder, wie macht man ein kuenstlerisches
Konzept + Businessmodell
aus diesem Handy-Logo-Pseudohype?
Klar scheint,
dass Raum und Machtraum medial bedingt sind und die
"Service"-Dienstleistung
eine der Folgen ist. [Die Subsistenz kann nur (egal ob
informell oder offiziell)
marktgaengig handeln] Raum und Machtraum scheinen
aber nicht verkuerzt werden
zu koennen auf die technische Globalisierungsthese
[die ursaechlich vorgeschaltet
waeren, ... hoechstens bedingend], es gibt da ja
noch dieses altmodische Profitstreben
und das Lifestyle-Angebot. Mit Tauschringen
soll das kontrastiert werden.
SMS
und UMTS-Stream, hochgradig ephemer, verboral? Die textuellen Formate
werden
vielleicht nun dezentral behandelbar. An einer Straba-Haltestelle:
"Ich
finde manche SMS so schoen, ich Speicher die immer ab und jetzt ist
mein Speicher
voll." Cool ist, dass der museale Ethos der akkumulativen
Hochkultur
damit erfuellt wird und zugleich vom Zentrum
"gesamtgesellschaftliche
Kultur" abgezogen wird. Das Ganze wird
multitude, vielfaeltig, unuebersichtlich
#[!]#. Das hat mit Gattungen nichts zu
tun. Genres ist fuer Studenten. ["Jazz
ist fuer Studenten."]
Die mittlerweile konventionelle musikalische
Strategie des Sampling bietet
neben verschiedenen Taktiken und konzeptionellen
Tools der Subversion
auch Anschluesse an inneraesthetische Kategorien wie
z.B. den Groove.
Bekannt ist hierfuer die sogenannte Ghostnote, Noten die
in der
Partitur nicht auftauchen, Sound, der nicht offiziell ist, aber
dennoch
gespielt wird, um den Groove in seiner Erweiterung des Taktes
erst zu sichern.
Ein systemkonformes Verfahren, das zur Erhaltung der
Struktur dient, weil
es nicht mit der hergebrachten Aesthetik des Groove
bricht, ihn nicht kalt
bzw. maschinell, d.h. fehlerhaft macht, weil das
hoergewohnte Rascheln zwischen
den Takt-Schlaegen der Snaredrum vorkommt.
Fehlt die Geisternote, also das
was dem sturen Beat seiner Erweiterung
wegen hinzugefuegt wurde, aber laut
Text nicht da sein duerfte, ist der
Soundtext nicht vollstaendig. (Tekkno-Beat
(mit 2 "k" !) war deshalb immer
unvollstaendig.) [Wollen wir die
Geistermedien machen?]
Ich denke 1. an ein Geistermedium, das den Sound
der kanonisierten
Sender vervollstaendigt, mit ihnen im Konzert also das vorspielt,
was
diese im Text nicht vorsehen koennen. Das waere ein reformerisches
Korrektiv,
soetwas wie ein Offener Kanal, soetwas wie Reverse
Engeneering? Man erinnere
sich daran, dass auch die Geste des
gegen-die-Gebrauchsanleitung-benutzen
immer nur im Programm des Mediums
arbeiten kann, selbst wenn das Programm
wie im Fall des Gameboy
veraendert wurde, das ist eine unueberschreitbare
systemische Grenze!
Und im Sinn einer Kritik am Modell Sender-Kanal-Empfaenger
kann gefragt
werden: Bleibt die Audience [dabei nicht] erhalten? In einer
groszen deutschen
Musikzeitschrift [Spex] findet man im Januar 2002 die Abbildung
eines jungen
Mannes und einer jungen Frau, die gemeinsam (?) Walkman hoeren
(genaugenommen sind sie mit ihren Kopfhoerern an einen CD-Player
angeschlossen);
sie demonstrieren damit ein Exklusionsprinzip,
Disktinktion. Es sieht so aus
wie Sex ohne Sex. Oeffentlich! [privat-oeffentlich,
diese beiden Kategorien
zeigen also getrennt voneinander nicht mehr so viel,
oder muss man von "medial
privat" und "sozial privat" reden?]
Und 2. denke ich an ein
Translationsmedium, an ein Crossmedium, das
aehnlich wie das Crossposting
in verschiedenen Mailinglisten das
Schema des Sendens aufnimmt [, verdreht]
und unterlaeuft. So koennen
Metasoundtexte gebildet werden. 3. denke ich an
ein schoenes Medium, das
direkt wirksam ist und privat UND oeffentlich ist:
das ist ein Apparat, eine
Maschine (oder Maschienerie), die wir schon haben:
Handys (moeglichst ohne
die grammatikalische Korrektheit des Plural "Handies").
Den Fetisch mal
geschenkt (damit meine ich beides, *umsonst* und mal nicht
im Fokus
der Kritik!) geht das utopische Programm dann so: 'Wenn uns jetzt
die
Frequenzen bald gehoeren' - faktisch wurden sie ja privatisiert und
so
dem Praefix Demo (demos, das Volk) dem Konstrukt Demo-Kratie
entzogen, was
dem Aufbau der Logik der Genpatentierung gleichkommt,
weil etwas, das physikalisch
erst hergestellt werden muss und nicht
naturvorkommende Ressource ist, verkauft
wurde - '"wenn also
dann" benoetigt niemand Lizenzen oder Erlaubnisse,
weil die Knappheit
aufgehoben ist und statt Ordnung der Bandbreiten ihre Unordnung,
sprich
Anarchie gegeben ist.' Wer repraesentiert denn ueberhaupt noch Volk?
Muss nicht ein anderes Instrumentarium genutzt werden, mit dem der
voelkische
Begriff "Volk" abgeloest wird? Mehr Stoerung, mehr
Ghettoblaster?
"Stoeren geht nicht mehr." Das Ghetto, die Venezianische
Insel der
Segregation, bringt andere kulturelle Formen hervor, die dann
Mainstream werden.
Ich suche also nach einer Drehung, nach einem Dreh, die
Konfrontation sozialromantischer
Allgemeinheit, das was Oeffentlichkeit
heiszen soll, mit der Fantasie individualistischer
Radiopraxis mit Option
zur Kollektivierung zu verbinden. Das Ganze wird multitude,
vielfaeltig,
unuebersichtlich.
Bei Burroughs' ist der halluzinatorische
Begriff des Senders der des
Herrschers, aber der Herrscher ist dumm und kann
nur senden, nie
empfangen. Die Technik "Open Space" bietet dagegen
an, die Sender zu
zerstoeren und alles zu chaotisieren, um dann zu einer 'Neuen
Ordnung'
zu kommen, die wiederum zerstoert wird. Der Handyverkaufer koennte
seine Subsistenz mal anders definieren und z.B. seine Frau marxistisch
Fischen
gehen lassen.
Gleich gehts auf Sendung! Ich schiebe mir noch ein von
Wrigley's
in den Mund, mein anti-kommunikativer Gestus. Radio mittels
Mobiltelefon zu
"machen" heiszt vielerlei: Ironische primitive
Umwertung/Umdefinierung
(als Prozess!) von Gadgets statt ihrer
Umprogrammierung (Stichwort: Reverse
Engeneering) - vielleicht eine
Post-Futuristische Attituede, oder ist es Social
Engeneering ohne
Impact?; Kritik am Brechtschen Radiomodell und am positivistischen
Sender-Empfaenger-Kommunikations-Modell seit Shannon&Weaver
gleichzeitig,
aber ohne sofortige Aufhebung in Baudrillards Unmoeglichkeit der
Kommunikation
[weil alles schon Simulacrum sei, oder bei Debord Spektakel]
jedoch mit Anteilen
von "Gegenoeffentlichkeit" (ambivalent, ambivalent);
ActionResearch
mithilfe der These vom "Medium ohne Zuhoererschaft";
Herausarbeiten
- auf der Basis von organisiertem Halbwissen - und Spielen -
im Sinn der These
vorhandener sozialer und des technischer Programme des
Geraets - mit dem Phantasma
des "Radio" (Geisterstimmen/Geistermedium,
Vernetzung, Oeffentlichkeit
und Gegenoeffentlichkeit, Piratensender, Autonomedia,
Underground, Multiplex
Netzwerk) und der Fantasie des *Radio als ob*
["Radio" in Anfuehrungszeichen]
(Social Hacking, Fake Nr. 1735, Overground,
Mikromedien, Culture Jamming,
Business Modell). Eine Radiostation mit einem
Handy zu betreiben heiszt ein
Translationsmedium, ein Crossmedium zu erfinden.
Denn Konvergenz kann gelesen
werden als ordnende Zusammenfuehrung der
Einzelmedien (Portabler Computer
simuliert Handy, Handy simuliert
Radioempfaenger) und als Zentralisierung
von Medienpraxis, weil am und im
Geraet die Netzzugangs- und Konsumstrukturen
aufgebaut werden. Konvergenz
ist also nicht blosz ein techno-logisches Desiderat,
sondern auch ein
etatisischer Wunsch. Ein Medium, das - wie die Rhetorik um
den Computer
vorgibt - alles simuliert, ist aber selbst schon zentralistisch
gedacht
[Universalmedium Computer; Universalitaet geht von der Perspektive
der
Uebersicht aus, die immer eine bestimmte Perspektive ist], denn auch das
Konzept des Computers als Rechner ist auf Peripheriegeraete angewiesen, die
ihrerseits Chipgesteuert funktionieren moegen aber nie nur und ganz Rechner
sind.
Nur ein organisierter Medienverbund schafft Kohaerenz, wenn z.B. 3d-Effekte
oder soziale Bindung hergestellt werden sollen. Aber dieser Verbund, diese
Medien-Nation schafft auch Konflikt. [Der Sender ist dumm, wenn er kann nur
empfangen (frei nach Burroughs)] Diese Effekte muessen auf ihre
Moeglichkeitsbedingungen
hin untersucht werden. Wird bei der
Kommunikation K statt von ihrer ewigen
Funktionabilitaet von ihrer
Unwahrscheinlichkeit ausgegangen (Unwahrscheinlichkeit
der
Kommunikation [Luhmann]), dann unterliegt K nicht dem Primat ihrer
Perfektionierung,
also wie sie zu verbessern sei (Stichwort: Multimedia)
- Beim Konzern Philips
gilt der Slogan "Let's make things better" "dem
Rest der Welt
gegenueber [als] ein Versprechen". Stattdessen wird gefragt
*wie* sie
zustandekommt. Oder es wird gefragt, *wann* Kommunikation
zustandekommt. Nur
Kommunikation schafft Gesellschaft, sagt der Forscher.
Kommunikation ist alles,
sagt die Firma. Kommunikation ist nicht alles.
Schlieszt man seinen Radioempfaenger
an eine Schaltuhr mit Randomfunktion,
gradiert man wie Cage das subjektive
Verhaeltnis zu einem stoischen
Nullmedium. Dann kann man so ein komisches
Training oder eine zwanglose
Uebung machen, in der die Beobachtung auftreten
kann, dass weder die
Subjekte das Medium beherrschen, was immer synonym zu
Demokratie gesetzt
wird, noch das Medium die Subjekte beherrscht, was oft
synonym zu
Diktatur verwendet wird. "Airwaves" ist ein Kaugummi!
[...]
Matze Schmidt