Aktuelles


7. Juli 2002

Mexiko: Basisradio in Chiapas bedroht

Die Stärkung der Basisradios in Mexiko ist keine einfache Geschichte gewesen. Jahrelang wurden die alternativen Sender systematisch verfolgt und angefeindet. Mit dem Machtwechsel an der Regierung im Jahr 2000 schien sich die Situation jedoch zu ändern.

Eines der Wahlversprechen des Präsidenten Fox war es, eine vollständige Reform des Mediengesetzes zu initiieren. Zu Anfang seiner Amtszeit wurde deshalb ein Runder Tisch für die Integrale Reform des Gesetzes über Elektronische Medien ins Leben gerufen. Zum ersten Mal in der Mediengeschichte dieses Landes saßen alle Akteure an einem Gesprächstisch zusammen: politische Parteien, Abgeordnete, die Lizenzinhaber der Medien, Akademiker und die Zivilgesellschaft.

Einen Sitz an diesem Tisch zu erhalten, bedeutete für die letztgegannte Akteurin eine lange und komplexe Entwicklung. Im Rahmen des Dialogs gab es folgende mündliche Übereinkunft: ohne eine neues Mediengesetz fertig zu haben, sollte es keine Aktionen geben, d.h., weder eine Erlaubnis oder eine Konzession, noch ein Vorgehen gegen irgendein Kommunikationsmedium. Alles schien auf eine Öffnung für die Basis- und Bürgermedien hinzudeuten.

In diesem Kontext wurde am 23. März dieses Jahres in der Stadt San Cristóbal de las Casas, Bundesstaat Chiapas, der Radiosender "99.1 Frecuencia Libre" (99.1 Freie Frequenz) wiederbelebt. Seine Mitglieder sind in der Mehrheit Männer und Frauen, die in sozialen und zivilen Organisationen arbeiten. Sie begannen ihre Übertragungen mit einer großen Hörerschaft, die neugierig darauf war, einen Bürgerfunk kennenzulernen. Taxifahrer, Hausfrauen, junge Leute und Mitarbeiter aus Nicht-Regierungsorganisationen gehörten zu denen, die sich schnell dem Sender annäherten.

Der Enthusiasmus war von kurzer Dauer. Am 25. April präsentierten sich in den Räumen von 99.1 zwei Personen, die sich als Inspektoren des Kommunikations- und Transportministeriums (SCT) auswiesen. Diese Regierungsbehörde ist damit beauftragt, die Konzessionen und Sende-Erlaubnisse für Radio und Fernsehen zu regulieren. Ohne irgendein offizielles Dokument bedrohten sie die Mitglieder des Radios und schüchterten sie ein. Sie würden sie nur "warnen", nicht weiter zu senden. Zwei Tage später kamen sie mit einem Durchsuchungsbefehl zurück und übergaben eine Anzeige gegen das Radioteam wegen unerlaubten Sendens.

Es ist schwerwiegend, dass wir unter der Regierung, die sich die "des Wechsels" nennt, zu alten Praktiken zurückkehren, die Bürger als "Delinquenten" zu beschuldigen, die die Meinungsfreiheit auf ihren eigenen Wegen ausüben. Dabei wird sich auf ein Radio- und Fernsehgesetz gestützt, das voll von juristischen Lagunen ist und der Willkür des Staates einen großen Spielraum gibt.

Seit zwei Jahren gab es keine Nachrichten mehr darüber, dass die Mitarbeiterschaft von Bürgerradios im Land belästigt wurde. Warum jetzt, wo wir uns doch angeblich alle am Runden Tisch befinden? Warum gerade Chiapas?

Die Behörden sagen, sie hätten nichts unternommen, wenn keine "Anzeige" wegen unerlaubten Sendebetriebs erstattet worden wäre. Wir wissen nicht, wer für die Anzeige verantwortlich ist, denn diese Information wird uns verweigert. Aus verschiedenen konsultierten Quellen schließen wir, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt. Entweder handelt es sich um den einzigen Medienunternehmer in San Cristóbal de las Casas oder um die Armee, die jetzt die Kontrolle über den Äther in der Zone hat. Beides sind gefährliche Möglichkeiten, denn sie beinhalten ein doppeltes Spiel des Systems: auf der einen Seite sind wir im Dialog, und auf der anderen Seite attackieren sie uns.

Vor einigen Monaten haben wir einen Verhandlungsprozess mit den Behörden begonnen, um zu verhindern, dass die Strafklage gegen die Mitglieder des Radios aufrecht erhalten wird. Denn diese hätte am Ende nicht nur die Beschlagnahme ihrer Sendeausrüstung zur Folge, sondern sogar ihre Inhaftierung.

Angesichts dieser Situation stellen wir Zivilorganisationen und die Basisradios des Landes fest:

  • Die Regierung hat das Abkommen gebrochen, nichts zu unternehmen, bis ein aus dem Runden Tisch hervorgegangenes Mediengesetz fertig sei.
  • Die ungeklärte gesetzliche Situation, in der sich die Basisradios des Landes befinden, ist durch die Behörden selbst geschaffen worden, indem sie bei der Frequenzvorgabe willkürlich vorgehen. Wenn um eine Sende-Erlaubnis nachgesucht wird, werden von uns sozialen Organisationen unmögliche Voraussetzungen verlangt wie beispielsweise die Hinterlegung von einer Million Pesos für die Schaffung eines Fideikommisses und der Verzicht auf Werbespots. Nicht erfüllbare und ungleiche Bedingungen, die unseren Ausschluss bedeuten.
  • Die Behörden haben eine sonderbare Art, Vereinbarungen umzusetzen. Auf der einen Seite verhindern sie Sende-Erlaubnisse weil wir uns in Verhandlungen befinden, aber im Dezember vergangenen Jahres waren sie andererseits sehr wohl in der Lage, der Kammer der Radio- und Fernsehindustrie, dem Gremien der Medienunternehmer, 82 Konzessionen zu verlängern.
  • Gegenüber der Zivilgesellschaft wird die Vereinbarung, keine Erlaubnis zu erteilen, umgesetzt. Aber wir werden angegangen und attackiert, obwohl das neue Gesetz noch nicht fertig ist.
  • Es ist richtig, dass wir Alternativmedien uns in einer irregulären Situation befinden. Dies ist einem überholten normativen Rahmen geschuldet, der weder der aktuellen gesellschaftlichen Wirklichkeit, noch dem Respekt der Menschenrechte entspricht. Darum ist sogar am Runden Tisch mit allen Akteuren festgestellt worden, dass die Basismedien in Mexiko SEHR WOHL EXISTIEREN, ihnen das gültige Gesetz die legale Anerkennung aber nicht erlaubt. Von daher ist es dringlich, Regeln festzulegen und ihnen Rechtssicherheit zu geben.
  • Die Basismedien sind weder aufrührerisch noch rufen sie zu zivilem Ungehorsam auf. Sie machen nur von unserem Menschenrecht auf die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit Gebrauch und zwar mit gemeinnützigen Zielen. Es geht daher nicht an, dass wir vom Gesetz wie Kriminelle behandelt werden.
  • Weil wir für den Rechtsstaat eintreten, sitzen wir am Runden Tisch. Aber die erwähnten Aktionen trüben die Gesprächsbedingungen und setzen uns der Gnade staatlichen Autoritarismus aus, ohne einen gesetzlichen oder politischen Ausweg.

Mehrere Dinge bereiten uns Sorge. Am wichtigsten ist dabei die körperliche und psychologische Unversehrtheit der Mitglieder von "99.1 Frecuencia Libre" sowie die Möglichkeit, das Haus und Ausrüstung des Senders beschlagnahmt werden.

Der Strafprozess läuft. Die mexikanische Regierung muss daher aufgefordert werden, ihr Versprechen zu erfüllen, die Meinungsfreiheit derer zu respektieren und zu garantieren, die wir glauben, dass für die Demokratie Informationspluralität und Medien mit gemeinnützigen Zielen wie die Basismedien notwendig sind.

Aleida Calleja
Repräsentantin de la Weltvereinigung der Basisradios-Mexiko.


Mexiko-Stadt, 9. Mai 2002

UNSER BRIEF AN DIE AUTORITÄTEN:

AN DAS PRÄSIDENTENAMT DER REPUBLIK AN DIE VERANTWORTLICHEN DES KOMMUNIKATIONS- UND TRANSPORTMINISTERIUMS AN DIE VERANTWORTLICHEN DES INNENMINISTERIUMS AN DIE VERANTWORTLICHEN DER KOMMISSION DES KOMMUNIKATIONS- UND TRANSPORTMINISTERIUMS IN CHIAPAS AN DIE REGIERUNG VON CHIAPAS AN DIE NATIONALE UND INTERNATIONALE ZIVILGESELLSCHAFT AN DIE NATIONALEN UND INTERNATIONALEN KOMMUNIKATIONSMEDIEN

Wir, die Unterzeichenden, befürchten angesichts der Maßnahmen, die die Autoritäten des Kommunikations- und Transportministeriums in diesem Bundesstaat ergriffen haben, dass das für das Bürgerprojekt 99.1 Frecuencia Libre zuständige Team seine Kommunikationsarbeit gegenüber den Bürgern von San Cristóbal de las Casas nicht ausüben kann.

Schwerwiegender noch erscheint uns, dass die Autoritäten ein politisches Willensabkommen, das am Runden Tisch für die Integrale Reform des Gesetzes über Elektronische Medien getroffen wurde, gebrochen haben, indem sie zuerst im Dezember des vergangenen Jahres 82 Sendelizenzen für zwölf Jahre verlängerten und jetzt das erwähnte Basisradio in Chiapas strafrechtlich verfolgen. Das Abkommen bestand darin, vorerst keine Frequenzen zu bewilligen und gegen keinen der am Gesprächstisch versammelten Akteure vorzugehen.

Am selben Runden Tisch ist anerkannt worden, dass die Basismedien in Mexiko existieren, ihre Situation aber irregulär ist, weil der gültige Gesetzesrahmen für die Bewilligung von Frequenzen es ihnen unmöglich macht, eine Erlaubnis zu bekommen. Darum ist es dringlich, ihnen gesetzliche Annerkennung zu gleiche Bedingungen zu schaffen, damit ihr bisher bestehender Ausschluss vermieden wird.

Gemäß seinen Zielen, sucht das erwähnte Radioteam die Beteiligung der Bürgerschaft und die freie Äußerung der Ideen über die zivile Kommunikations-Initiative eines Basisradios zu fördern. Dieses soll nicht in Konkurrenz mit den kommerziellen Medien treten, sondern gerade der Bürgerstimme eine Plattform geben, die keinen Zugang zu den traditionellen Kommunikationsmedien hat.

Diese Art von Vorgehen fördert eine Beteiligungskultur und die Ausübung der Menschenrechte.

Das Interesse der Bürger, den nicht-kommerziellen Lokalsendern einen Platz zu verschaffen, belegt einen wirklichen demokratischen Fortschritt in unserem Land, ein Verständnis bezüglich der Bedeutung einer einschliesenden, gleichen und gerechten Entwicklung der Gesellschaft. Es unterstützt eine politische Kultur des Respektes und der Toleranz, bei der die Gesellschaft teilnimmt, ihre Meinung äußert und mitverantwortliche Vorschläge macht.

Darum verlangen wir einen Dialog, um die Situation dieses Senders zu klären und jedweden Angriff auf die körperliche und psychologische Unversehrtheit seiner Mitarbeiter zu verhindern. Gerade wegen des überholten gültigen Gesetzes, das weder der aktuellen gesellschaftlichen Wirklichkeit entspricht, noch die Menschenrechte auf Meinungs-, Informations- und Kommunikationsfreiheit garantiert, wird ein neues Mediengesetz von allen Beteiligten diskutiert.

Wir erbitten Respekt von Seiten der Regierungsautoritäten und fordern sie zugleich auf, ihre Rolle bei der Förderung von Spielräumen für die Bürger und Basisinitiativen im Radiobereich zu stärken anstatt uns wie Kriminelle behandeln zu wollen.



Asociación Mundial De Radios Comunitarias (60 organizaciones)
Centro Nacional De Comunicación Social
Comunicación Comunitaria
Ana Ma. Pepino
La Voladora Radio
Radio Guadalupe
Eduardo Leaman
Radio Bemba
Guadalupe Cortés
Miguel Ardid Gumiel
Rosa Aurora Espinosa
Lilia Fernández Ventura
Concepción Vázquez De La Torre
Clara García Bilbao
Ma. Del Carmen Leyva
Maria Teresa Giron Murillo
Emisoras Municipales De Andalucia, España (93 emisoras)
Foro Campesino Morelense
Mujeres En Frecuencia
Educación Y Participación Ciudadana IMDEC
Convergencia De Organismos Civiles Por La Democracia
Red Mexicana de Acción Frente al Libre Comercio (RMALC 120 organizaciones)
Centro De Derechos Humanos Fray Bartolomé De Las Casas
Alianza Cívica Nacional
Alianza Cívica De Sonora
Escuela De Desarrollo Integral - Nogales
Casa - Promoción Juvenil Ciudad Juárez
Cadhac - Monterrey
Colectivo De Apoyo Niñas Callejeras
Cocomi- Miravalle Iztapalapa
Colectivo de Mujeres de San Cristóbal (COLEM)
Colectivo La Puerta Negra- San Cristobal
Chiltak, A.C. San Cristobal
Cefimac- Quintana Roo
Coalición Nacional De Organizaciones Juveniles
Asociación De Cristianos Para La Abolición De La
Tortura (Acat)
Centro De Derechos Humanos Miguel Agustin Pro Juárez-
Comisión Mexicana De Defensa Y Promoción De Derechos
Humanos
Foro Migraciones
Movimiento Juvenil Enlace - Tamaulipas
Red Ciudadana De No Violencia Y Por La Dignidad - Cd.
Juárez
Red Por Un Presupuesto Participativo - Iztacalco
Sedepac
Sin Fronteras A.C.
Machete - Arte
Voluntariado Sociedad Sin Fronteras
Melel Xolabal (Chiapas)
Felipe Toussaint Lovera
Verónica Melgoza García
Radio Huayacocotla
Marina Patricia Jiménez Ramírez
Red Todos los Derechos para Todos
Lurdes Barbosa Cárdenas
Aída Guajardo Araluce
Francisco Muñoz López
Víctor Barcenas Flores
Lisette Gónzalez Juárez
Ma de Lourdes Garzón
Mendoza, Eréndira García Salazar
Ana Lilia Monroy
Centro Latinoamericano De Reus, Catalunya, España.
Programa Radial Latinoamericano "Cuando La Tierra Se
Hace Canto" 99.8 Fm, Catalunya.
Serpal, Servicio De Prensa Alternativa.

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Secretaría de Gobernación
Fax: 51 40 81 14, correo: mgmorin@segob.gob.mx
Gobierno de Chiapas:
Fax: 01 961 61 3 24 58
Secretaria de Comunicaciones y transportes:
Fax: 55 30 43 15, correo: http://www.solifonds.de/jrodrigc@sct.gob.mx




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