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10.12.02, 15:58, A9 kurz vor Freimann: Notbush City Limits and no WiFi
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WARdriving: Wireless Access Revolution – warum der Begriff passt, Teil 1
Geschrieben am Sonntag, 15.Dezember. @ 18:57:46 CET von admin
Geschrieben von Rainer_Meyer
Artchalking Auf den ersten Blick ist WLan denkbar unspektakulär: Ein dunkler Kasten mit Stummelantenne und meistens auch noch ein Kabel zum Internet. Beim Empfänger ist eine WLan-Karte, meistens in einem Laptop. Im Büro ist das nur der Ersatz für herkömmliche LAN-Kabel. Aber sobald jemand die Basisstation ans offene Fenster stellt, endet die Bürokommunikation, und die Revolution beginnt. Dann strahlt das Ding aus der Privat- oder Wirtschaftsphäre in den öffentlichen Raum.

Das ist unerhört, denn durch die gesamte westliche Zivilisation hindurch sind diese Bereiche so weit wie möglich getrennt worden. Soweit bekannt, dreht sich die Verwaltung von Kommunen immer auch um die Trennung der "res privata" und "res economica" von der "res publica". Es gab und gibt immer das Bestreben privater, partikularer Sphären, den öffentlichen Raum für sich einzunehmen, was von der Gemeinschaft meistens energisch zurückgewiesen wird.

Grenzen des Privaten

Schon ein europäischer Gründungsmythos verweist auf diesen Konflikt: Als Remus bei der Gründung von Rom provozierend in den öffentlichen Raum eindringt, wird er von Romulus erschlagen. Ganz gleich, ob im Athen der Tyrannis, dem Florenz während des Aufstands der Ciompi, im Verona während der Adelskriege oder im Erfurt des 15. Jahrhunderts, als die Stadt die Herrschaft des Mainzer Bischofs abschüttelte: Bei Volksaufständen richtet sich der Zorn immer zuerst gegen die Zeichen und Symbole, mit denen die feindlichen Teile der Gesellschaft versuchten, den öffentlichen Raum einzunehmen.

In der Antike und im Mittelalter wachten Beamte darüber, dass niemand in der Stadt öffentliche Räume bebaute. Überragte ein aufgestocktes Haus die Strasse, musste es wieder abgerissen werden. Wer sich im öffentlichen Raum verwirklichen wollte, konnte das nur im gesellschaftlichen Konsens, etwa in gestifteten Kirchenfenstern tun. Die Kämpfe um die Vorherrschaft in Kommunen waren immer zuerst Kämpfe um den öffentlichen Raum. Begehrlichkeiten weckten dabei weniger Wege und Strassen, sondern vor allem Plätze, wo sich Menschen dauerhaft aufhielten.

Grenzen des Öffentlichen

Kein Wunder also, dass in den Allegoriemalereien der Renaissance beim guten Regiment die öffentlichen Räume respektiert werden. Händler bleiben in den anschliessenden Häusern; auf dem Platz wird gesprochen, musiziert und getanzt. Auch heute noch geht das Interesse der res publica an ihren öffentlichen Räumen so weit, dass ganz selbstverständlich Gestaltungsforschriften für Fassaden erlassen werden. Im öffentlichen Raum müssen private Interessen zurückstehen.

In diese, im Konsens befriedete Sphäre dringen WLan Hotspots mit ihrem Empfangsbereich ein. Um sie herum entsteht ein virtueller Raum mit 100 Meter Radius, in dem der Hotspot seine Informationen verbreitet. Dabei spielt es keine Rolle, ob es geschlossene Netzwerke von Firmen oder Public Access Points für das Internet sind. Das ist eine Revolution – man stelle sich nur den Auflauf vor, wenn jemand seine privaten Informationen mit Megaphon oder bemalten Bettlaken aus dem Fenster verbreiten würde.

Virtuell ohne Grenzen

Dass es überhaupt möglich ist, so den öffentlichen Raum zu penetrieren, ist zum einem der "Zweckentfremdung" von Bürokommunikation und zum anderen der Ahnungslosigkeit der Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation zu verdanken. Dort würde man jeden sofort rausschmeissen, der mal eben den Marienplatz in München, den Campo in Siena oder den Alex in Berlin vollsenden wollte, und jeder mit einem Laptop könnte die Informationen empfangen. Über das Potential, das in diesem Kasten steckt, hat man sich wohl ebenso wenig Gedanken gemacht wie über seine kulturelle Bedeutung im öffentlichen Raum. Jetzt dürfte es zu spät sein – WLan ist ein de-facto-Standard.

Dass man WLan aus Sicht der trotz des Eingriffs in den öffentlichen Raum begrüssen kann, liegt am virtuellen öffentlichen Raum, der sich mit dem Internet hinter dem Hotspot erstrecken kann. Durch den freien Zugang zum Internet verwandelt sich der okkupierte öffentliche Raum zum privat bereitgestellten, öffentlich nutzbaren Portal. In dieser Form ist der Hotspot ein privater Eingriff in den öffentlichen Raum, der sich am besten mit gestifteten Trinkwasserbrunnen, Parkbänken oder Kunstwerken vergleichen lässt. Auf solche Infrastrukturmassnahmen reagiert die res publica durch alle Zeiten hindurch in der Regel positiv, weil sie es als privaten Beitrag zum Wohl der Gesellschaft auffasst.

Begrenzung des Virtuellen

Keine Revolution ohne Opfer: In den Kästen steckt auch genügend Potential zum Missbrauch. Mit einem derartigen Kasten können Falschinformationen verbreitet werden, die bei jedem Stand in der Fussgängerzone die Polizei anrücken lassen würden. Den nötigen Willen vorrausgesetzt, könnten Interessensgruppen mit einer Vielzahl von Access Points die "Lufthoheit" über dem öffentlichen Raum erreichen. Und dann ist da noch das Problem, dass in den Access Points Firewalls und Blocker integriert sind. Wer im öffentlichen Raum über einen derartigen Access Point in den öffentlich-virtuellen Raum Internet geht, muss damit rechnen, dass er nur das zu sehen bekommt, was der Betreiber erlaubt.

WLan sieht, hört, fühlt und riecht man nicht. Und es gibt – noch – wenige Nutzer. Aber die Revolution imn öffentlichen Raum ist da. Die alte Trennung zwischen res publica und res privata/economica ist mit den abertausenden Hotspots im Himmel über unseren Städten bereits heute zerstört. Mit jeder neuen PCMCIA-Karte und Hotspot wird dieses Verhältnis neu definiert. Und die Aufteilung der Claims läuft auf vollen Touren.

Um so wichtiger ist es, diesen Prozess sichtbar und verstehbar zu machen. Wer diesen Prozess erkennen will, muss WARdriven. Wer freie Information will, sollte sich mit den WARchalking-Codes vertraut machen – und mit seinem eigenen freien Hotspot dagegen halten.


 
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