zurückTopseite

Das Internet liegt in der Luft

Handynetze und Datenfunk wachsen zusammen: Künftig wählt der Computer automatisch den bestmöglichen Weg

Von Andreas Grote

Adapter, Handy als unliebsamer Modem-Ersatz, wackelige Infrarotverbindung - von unterwegs aus online zu gehen, ist zwar längst technisch möglich. Doch so richtig Freude kommt dabei kaum auf. Die Verbindungen sind instabil, langsam und teuer. Wireless Fidelity nennen Provider, Industrie und Forscher eine Technik, die das ändern soll: Notebooks, Handy oder Organizer könnten sich bald automatisch das beste Übertragungsverfahren aussuchen, das am aktuellen Standort verfügbar ist.

Wo zahlungskräftige Geschäftsleute trendigen Gesellen begegnen, sind schnelle Internetzugänge oft nicht mehr weit: Seit einigen Monaten werden immer mehr Flughäfen, Bahnhöfe, Hotels oder Innenstädte, so genannte Hot Spots, mit drahtlosen Funknetzen ausgestattet. Ursprünglich waren die "Wireless Local Area Networks" als Erweiterung leitungsgebundener Netze gedacht, die es etwa Mitarbeitern in Büros oder Krankenhäusern erlaubt, ohne Kabelgestöpsele überall im Gebäude mit Notebook oder Organizer auf Firmendaten zuzugreifen. Nun setzen sich die WLANs vermehrt als lokale Internetzugangstechnik durch.

Das überrascht kaum, kennt man die wichtigsten Vorteile dieser Funknetze: Sie sind kostengünstig und schnell. Da sie auf Frequenzen senden, die (im Gegensatz zur Mobilfunktechnik UMTS) keine milliardenschweren Lizenzen erfordern, sind niedrigere Grundpreise machbar. Auch die Installation einer buchgroßen Sende- und Empfangseinheit (Access Point), die die Verbindung zum Festnetz herstellt, ist mit etwa 500 Euro pro Stück vergleichsweise günstig. Die Surfer benötigen nur eine zwischen 100 und 150 Euro teure WLAN-Karte mit Miniantenne.

Auch in Sachen Übertragungskapazität besiegt das Hot-Spot-Verfahren die Handys der kommenden dritten Generation: Während UMTS zunächst mit 384 Kilobit pro Sekunde arbeiten soll, funkt der heutige WLAN-Standard im Frequenzbereich von 2,4 Gigahertz bereits mit bis zu elf Megabit. Und nachdem die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post kürzlich weitere Frequenzen im Fünf-Gigahertz-Bereich freigegeben hat, werden 54 Megabit pro Sekunde möglich - das ist 840-mal so schnell wie ein ISDN-Kanal. Dem Download von Multimedia-Dateien wie Spielfilmen in Echtzeit sind damit kaum technische Grenzen gesetzt.

Allerdings haben WLANs im Vergleich zu den flächendeckenden Mobilfunk-Übertragungstechniken GSM, GPRS und demnächst UMTS einen entscheidenden Nachteil: Es handelt sich um ein lokal begrenztes Netz. In Gebäuden deckt ein Sender einen Umkreis von 50 Meter ab, im Freien reicht die Sendeleistung immerhin bis zu 300 Meter.

Die Herausforderung für Forscher und Entwickler besteht nun darin, die jeweiligen Vorteile der Verfahren zu kombinieren. Sprich: Wenn sich Surfer aus dem Versorgungsgebiet eines schnellen WLAN-Netzes entfernen, soll automatisch die jeweils schnellste verfügbare Mobilfunktechnik einspringen. "Das funktioniert mit heutiger Technik noch nicht", räumt Jens Kürten von Ericsson ein. Ingenieure des schwedischen Mutterkonzerns und der norwegischen Telefongesellschaft Telenor suchen in einer Projektgruppe Abhilfen.

Seit dem März vergangenen Jahres arbeiten die Forscher an Prototypen der H2U (Higher Capacity to UMTS) genannten Lösung. Grundlage für H2U ist die HiperLAN/2-Technik - das europäische Pendant des amerikanischen WLAN-Verfahrens 802.11a. Es enthält bereits ein besonderes Protokoll für die Kommunikation mit UMTS-Mobilfunknetzen. Bereits im Herbst will die Gruppe der Öffentlichkeit zeigen, dass das Roaming funktioniert. "Die Kunden werden die Übergabe zwischen den Netzen und die Neueinwahl nicht bemerken", verspricht Kürten. Allenfalls daran, dass sich die Datengeschwindigkeiten merklich unterscheiden. Für eine breit angelegte Demonstration fehlen in Europa noch die UMTS-Netze.

Freilich müssen neben den Sendern auch die Empfangsgeräte die Umschalterei beherrschen. Deshalb versuchen die norwegischen Entwickler unter anderem mit dem UMTS-Branchenforum 3GPP, das H2U-Verfahren als internationalen Standard durchzusetzen. Anderenfalls wären verschiedene Hard- und Softwarelösungen nötig, um zwischen den verschiedenen WLAN-Standards und UMTS zu vermitteln - was die praktische Anwendung und Durchsetzbarkeit erschweren würde. Nach dem Zeitplan der Entwickler soll sich H2U im nächsten Jahr etablieren und spätestens 2004 in den ersten UMTS-Geräten zu finden sein. "Die Hybridtechnik wird kommen, das ist sicher", ist Marc Miller von Innovationsforum überzeugt - dem Unternehmen, das einen Hot Spot für die Frankfurter Innenstadt vorbereitet.

Zu tun haben die Entwickler noch andere Dinge, um WLANs zum Durchbruch für den Massenmarkt zu verhelfen. So kritisieren Verschlüsselungsfachleute, der aktuelle Sicherheitsstandard lasse sich vergleichsweise einfach überlisten. Probleme bereitet auch noch die Bezahlung der kombinierten Datendienste. Wenn künftig verschiedene Provider ins Spiel kommen, führen die bislang üblichen Vorauszahlungen an einen bestimmten Anbieter nicht weiter. Für ein neues Bezahlsystem setzen die Entwicklungsabteilungen auf SIM-Karten, die auch Handynetze zur Identifikation der Nutzer und Datenspeicherung verwenden. Mit einem solchen Chip im Notebook oder Organizer könnten sich Surfer künftig bei WLAN- und Mobilfunkbetreibern ausweisen. Damit könnten die Provider später genau abrechnen. Vorbild ist das Handy, das beim Roaming im Ausland nach dem gleichen Prinzip arbeitet.

Bis dahin könnten sich die Hot Spots gegenüber UMTS einen Sympathievorsprung erarbeiten: Solche Projekte kommen vielerorts in Schwung. Nicht nur an Flughäfen, in Hotels oder Messen liegen sie im Trend. Mit gerade mal 175 000 Euro aus dem Etat des Landesbildungsministeriums haben Rostocker Studenten ihre Universität mit 150 Funkbasisstationen ausgestattet und das Bundesforschungsministerium dazu bewegt, 41 weitere Hochschulen mit einem WLAN-Netz auszustatten - international eine Spitzenposition.

Die Marktforscher von Analsys rechnen für Europa bis zum Jahr 2006 mit 20 Millionen WLAN-Surfern - das ist jeder zehnte Mobilfunknutzer. Ob die Hot Spots eine günstige Alternative zu UMTS bleiben, ist offen: Die Handy-Unternehmen fürchten angesichts der zunehmenden Beliebtheit von Wireless LAN Einbußen in ihrem UMTS-Geschäft. Und so scheint wahrscheinlich, dass die Großen der Branche bald im Hotspot-Markt kräftig mitmischen - und kleinere Anbieter verdrängen. Dann könnten die Kostenvorteile dahin sein.

Weitere Informationen:

WLAN-Projekte deutscher Hochschulen: wlan.informatik.uni-rostock.de/hochschulen/

HiperLAN/2: www.hiperlan2.com/web

Siemens zu UMTS und WLAN: w4.siemens.de/FuI/de/archiv/pof/heft1_02/artikel02/

Sicherheit im WLAN: www.bsi.de/fachthem/funk_lan/

 

[ document info ]
Copyright © Frankfurter Rundschau 2002
Dokument erstellt am 12.09.2002 um 21:08:22 Uhr
Erscheinungsdatum 03.09.2002

 

zurückTopseite