Wir
bauen uns 1 raumshif
Matze Schmidt 27.12.1999
Mi., 17. Dezember 1999
im "Club 3000" In einem Laden im Erdgeschoß
des ältesten Parkhauses in der City von Kassel. Die Szenerie erinnert an
die orgien mysterien theater von Hermann Nitsch und die psychodramatische, mythenaufarbeitende
Psychologie anderer "Wiener Aktionisten" an einem Abendmahltisch oder
an die dilettantische Vorbereitung der Maske für einen Splatterfilm. Etwa
12 Personen, die meisten in schwarzer Kleidung, formen aus gehacktem Schweinfleisch,
zum Teil widerwillig fasziniert, Alien, UFOs und Kathedralen-Modelle. Die Fensterfront
des Raums ist mit Silberfolie bis über Kopfhöhe abgeschlossen, relative
Dunkelheit wird von Strahlen der Lampen außerhalb und einem Videobeamer
unterbrochen und später von kaltem Neonlicht abgelöst. Die Mischung
der Konnotationen und Assoziationen zielt auf die Ästhtetik von B-Movies
und die Reflexion psycho-ökonomischer Anteile von Science-Fiction und utopischer
Strategien der Synästhesie.
2003,
fast vier Jahre später hat Matze Schmidt mit dem Video _raumshif_ einen Rohschnitt
von Material vorgelegt, das vor dem Platzen der New Economy Blase, vor dem 'Widererstarken'
derselben im aufgeklärtem Modus und vor anderen epochalen Zeitrechnungs-Zäsuren
aufgenommen wurde. Das Video ist verfügbar
als raumshif.ram für RealPlayer: raumshif
und als MPEG (CD-ROM erhältlich ab Ende Juni 2003 bei n0name: label@n0name.de).
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Mit "raumshif" ist ein überraschender
Hit des EU-Marktes in die Heim-Kinos gekommen. Nie kursierte das Skript in der
kalifornischen Filmmetropole, bis herauskam, daß es nur 1 Idee war. "In
Johnny Mnemonic, Cube, oder The Matrix und sogar in Star Wars gibt es diese extensierten,
zerschnittenen, zer-digitalisierten Körper" meint Matze Schmidt in einem
Interview für die britische Science Fiction-Zeitschrift n0name,
"das sind Sozialtechniken wie Haare schneiden oder Essen zubereiten. Es sind beinah
alltägliche transformatorische Prozesse." Und das ist auch kein Wunder. Der
Film sucht die riskante Synthese von Versatzstücken aus asiatischer Spiritualität
und Kampfkunst, Hacker-Underground, zeitgeistigem Hinterfragen der Wirklichkeit
und SF-Konzeptionen, und das ist ihm über weite Strecken auch gelungen. Es ist
kein vordergründiges Comicspektakel, das da über die Leinwände flimmert.
Ursprünglich hieß die Aktion "Wir bauen
uns ein Universum". Das erschien mir aber im nachinhein überzogen und
vom Anspruch wegführend. Ein Raumschiff bauen klingt konkreter, weniger nach
Gottesphantasien, aber gleichzeitig extraterrestrisch. Im Media Markt las ich
in einem Buch über Game Heroes, wie ein Programmierer von Computerspielen
über seine Faszination von der "Schnittstelle von Technologie und Irrationalismus"
schreibt. In einem Interview sagt er dann, daß er glaubt, Leben selbst sei
die nächste Ebene in Computer-Spielen. Dann gehst du durch diesen Supermarkt,
wo auf grau-silber-metallischen Tableaus Kinder vor dem neusten TV-Großgerät
sitzen, um sich ein Disney-Cartoon über Biblische Geschichten anzusehen.
Im gedanklichen Konnex mit Nitsch, der in den 1960ern, im Sinn gesellschaftlicher
Revolution, vom symbolischen Handeln zum realen Handeln
will, aber dann "Theater" sagt, rote Farbe statt Blut verwendet, und
im Konnex mit der Kanalisierung der utopischen Anteile daran in "Kunst"
[macht Gänsefüßchenbewegungen mit den Fingern] durch das Branding
und die Vermarktung durch die Kultur-Funktionäre, bleibt nicht viel mehr,
als ein distanziertes Mini-Revival durchzuführen, das soetwas wie eine unausgeglichene
Bilanzrechnung aufmacht. Die Ausstellungen des ZKM zum Beispiel, die auch als
Diskurs-Territorien gelesen werden können, behaupten unter Peter Weibel,
der den Wiener Aktionismus zur Marke machte, fortwaehrend, daß Kunst da
anfange wo Technik aufhoere. Diese Aussage kann auf alle Bereiche des Gesellschaftlichen
ausgeweitet werden. Also so, daß eine bestimmte Strategie, die künstlerische
Strategie, exemplarisch immer da übernimmt, wo Gesellschaft versagt. Dreht
man das um, wird Kunst zum Sandkasten, zum testbed oder auch zum kanalisierten
Trieb. Unsere Intention war vielleicht, keine intellektualistische Kritik an Sci-Fi
zu artikulieren, und auch keine künstlerische. Es ging darum, die Befangenheit
von Artikulation überhaupt zu thematisieren - in rudimentären Gesten
infantiler Gestaltungslust. In einem simulierten Modellier-Verfahren, ein Pseudo-DIY,
das sich kritisch an der Techno-Hypostase und Phantomatik Lem's wie an Flussers
religiösem Pixeluniversum abarbeitet - letztlich aber immer auch Sublimierung
ist, die auch von Fantasien der "Intervention" in die reellen Zusammenhänge
nicht erweitert wird. In den Ausschlußverfahren der Aufmerksamkeitsindustrie
kann man viele Verfahren finden, die gegen die Enteignung-Strategien der Monopolisten
und des Staates einfach geklaut werden können. Und "einfach" meint
beides: technisch simpel und copyright-moralisch skrupellos. Der Rest DIESES Artikels
ist ein kleines Remix-Beispiel dafür. | Matze
Schmidt |
Vielleicht ist der SF-Aspekt des Films auch nicht der entscheidende Faktor des
Erfolgs. Gerade die "sehr komplexe Geschichte", wie immer wieder betont wird,
weist Schwachpunkte auf. Die zunehmend intelligenter werdenden Maschinen haben
irgendwann in den ersten Jahrzehnten des 21. Jahrhunderts einen Krieg gegen die
Menschen geführt, und aller menschlichen Abwehrmaßnahmen zum Trotz (zu denen offenbar
auch die ökologische Verwüstung des Planeten gehörte) haben die Maschinen gewonnen.
Das (vorläufige) Ende der menschlichen Gesellschaft wird drastisch illustriert.
Die Menschen sind versklavt, werden in riesigen Plantagen gezüchtet, um den Maschinen
als Energiespender zu dienen.
Das
raumshif ist ein Computerprogramm, das den Menschen die Wirklichkeit des Jahres
1999 vorgaukelt (den "Höhepunkt ihrer Zivilisation", wie eine Künstliche Intelligenz,
die im Programm als Agent dargestellt wird, sarkastisch anmerkt) und ihnen zur
"unterbewußten" Beruhigung in ihren Brutkammern direkt ins Gehirn gespeist wird.
Als SF-Konzept ist das nicht unbedingt überzeugend: abgesehen davon, ob dieser
berüchtigte Kampf zwischen Menschen und Maschinen, den ja auch schon James Camerons
"Terminator" (1984) als Hintergrund benutzt hat, noch von Interesse ist - warum
sollten die Maschinen ausgerechnet Menschen als "Batterien" züchten und nicht
andere Säugetiere, wenn die Menschen dazu offenbar eine gigantische hochkomplexe
Simulation benötigen, deren technischer Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis
stehen dürfte?
Der kulturelle Schockeffekt ist allerdings beachtlich, wie er auch in SF-Filmen,
zu deren Möglichkeiten die Verlängerung und Verzerrung bestehender gesellschaftlicher
Tendenzen gehören, nur selten erreicht wird - versetzt man sich in die Hauptfigur,
so ist es eine absolute Horrorvorstellung, sich bewusst machen zu müssen, dass
die erlebte Wirklichkeit aus der "Vergangenheit" nur eine Täuschung ist und die
Menschen in einer deprimierenden aussichtslosen Zukunft leben.
Die Geschichte Auf
der Ebene der erzählten Geschichte ist ja auch nicht alles verloren. Morpheus
(Laurence Fishburne) ist der Anführer einer kleinen Gruppe von Techno-Partisanen,
die im Krieg mit den Maschinen in ihrem Hovercraft "Nebukadnezar" durch die Kanalisationen
der ehemaligen Großstädte streifen und mit ihrer High-Tech-Ausrüstung in der Lage
sind, sich in das raumshif einzuklinken. Im Inneren des Planeten existiert Zion,
die letzte Zuflucht der Menschen. Sie haben es außerdem irgendwie geschafft, den
Mainframe von Zion im raumshif zu verstecken, der dort ist, wo sich das "Orakel"
befindet. Die Agenten, die KI-Programme in Menschengestalt, verfolgen Morpheus,
weil er zu den wenigen gehört, die die Zugangscodes für Zion kennen. Wird Zion
von den Maschinen geknackt, ist der letzte Widerstand der Menschheit gebrochen.
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Der Hacker Neo (Keanu Reeves) wird im raumshif von Morpheus kontaktiert,
der ihn vor den Agenten warnt, die es auf ihn abgesehen hätten. Neo, der tagsüber
seinem Job als Programmierer nachgeht, wird verhaftet und bekommt einen Vorgeschmack
auf den Alptraum, der ihn erwartet: die Agenten scheinen über Fähigkeiten zu verfügen,
ihn im wahrsten Sinne des Wortes mundtot zu machen - sein Mund wird "verschlossen"
-, und sie verwanzen ihn mit einem Biomechanismus, der sich einen Weg in seinen
Körper sucht. Als er in seinem Bett aufwacht, hält er das Erlebnis in seiner Erinnerung
noch für einen schlechten Traum.
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Trinity (Carrie-Anne Moss), eine Mitstreiterein von Morpheus,
trifft Neo in einer Disco und hat alle Hände voll zu tun, seinen Körper zu "debuggen",
bevor sie ihn zu Morpheus bringt. Neo ist beeindruckt, der legendären Hackergestalt
Morpheus endlich zu begegnen. Doch die Antwort auf die Frage, die Neo umtreibt
und die er sich von Morpheus erhofft, was denn das geheimnisvolle raumshif eigentlich
sei, übertrifft seine schlimmsten Befürchtungen. Neo schluckt eine Pille - sie
ist im raumshif Teil eines Tracking-Programms der Hacker - und "seine" Wirklichkeit
löst sich auf. Völlig benommen wacht er in der wahren Welt um 2200 auf und wird
von den Maschinen, die die "Betriebsstörung" bemerken, als Müll entsorgt. Die
Crew der Nebukadnezar hat seine Position aber rechtzeitig orten können und nimmt
ihn auf. Neo wird mit der Wahrheit des Krieges konfrontiert und einem
harten Trainingsprogramm unterzogen. Kampfkunst-Übungen werden ihm direkt über
ein neuronales Interface vermittelt. Neo gewöhnt sich an seine neue Umgebung und
er erfährt die Vorgeschichte der Partisanentruppe, die unter schlechten Bedingungen
seit vielen Jahrzehnten ihren Kampf führt. Morpheus hält ihn für den "Auserwählten",
für denjenigen, der die Kontrolle über das raumshif gewinnen und die Menschheit
befreien kann. Einer aus der Gruppe, Cypher (Joe
Pantoliano), verrät die Gruppe an die Maschinen; als sie in das raumshif einloggen,
um Neo zum Orakel zu bringen, geraten sie in einen Hinterhalt, bei dem Morpheus
gefangengenommen wird. Cypher gelangt vor den anderen zu einem "Ausgang" und tötet
diverse Mitglieder der Gruppe, bevor er gestoppt werden kann. Trinity und Neo
bleiben übrig, und Neo bemerkt, dass das Orakel ihm die eingetretene Situation
prophezeit hat. Entgegen aller Warnungen macht er sich mit Trinity auf den Weg
in das raumshif, um Morpheus aus den Händen der Agenten zu befreien. Die Befreiungsaktion
gelingt, Trinity und Morpheus können rechtzeitig entkommen. Im Showdown wird Neo
getötet, doch seine neu erwachenden Kräfte lassen ihn "wiederauferstehen" - die
Agenten sind keine Gegner mehr für ihn, da er die Bedingungen des raumshif manipulieren
kann. Das Schlussbild zeigt ihn fliegend über der simulierten Stadt.
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Ein religiöser Unterton, in vielen Kritiken des Films moniert, ist in der Erzählung
nicht von der Hand zu weisen. Es geht um Selbstüberwindung, das Bewußtwerden der
"Wahrheit" und andere kleine Lektionen in paradoxer spiritueller Logik. Auch das
uralte Löffelverbiegen per Gedankenkraft feiert seine "Wiederauferstehung". Die
Szene mit dem Orakel in Gestalt einer schwarzen Hausfrau mittleren Alters gehört
denn auch zu den schwächeren Passagen des Films, und spätestens dann, wenn Neo
die Szenerie mit einem Keks in der Hand verläßt und über das Gesagte grübelt,
das natürlich nur für ihn "bestimmt" ist, spürt man eine gewisse Ironie. Ich sehe
in den spirituellen Anspielungen und Hinweisen zum Teil auch mehr einen dramaturgischen
Notbehelf, da die Aktionen der Partisanen und Agenten nicht in einem technologisch
klar "funktionierenden" Zusammenhang stattfinden, sondern in einem mystischen
Raum, der offen bleibt für Interpretationen. Doch dazu später mehr.
Inszenierung neuer Medien
Warum ist der Film so erfolgreich ? Er zeigt rasante
Action-Szenen - das Shooting out im Hochhaus, wo Morpheus gefangen ist, stellt
eine elegant ästhetisierte Gewaltchoreographie im Stile des Hongkongkinos dar.
Mit der Bullet-Time
Photography setzten die Regisseure desweiteren eine Technik ein, die einen
sehr dynamischer Eindruck von Objekten im Raum erzeugt und die auch schon in der
Werbung benutzt wurde: die Kamera bewegt sich scheinbar um Ereignisse im Raum,
die "festgefroren" scheinen. Klar, dass Computeranimationen und Morphing-Effekte
eingesetzt werden. Das Design der Nebukadnezar und der Sentinels, der KI-gesteuerten
Roboter, die sie bedrohen, stammt von einem bekannten amerikanischen Comiczeichner.
Einem Problem geht der Film genial aus dem Weg, das in den letzten Jahren
schon manchem der Cyberfilme zum Verhängnis geworden ist. Er scheitert nicht an
dem Versuch, die Simulation aufwendig mit Computeranimationen o.a. zu gestalten
und eine künstliche, am Design erkennbare Trennung zwischen Wirklichkeit/Simulation
aufrechtzuerhalten, wie zum Beispiel Robert Longos "Johnny Mnemonic" (1995), in
dem Keanu Reeves auch schon einen cyberspacekundigen Hacker spielte. Der Trick
ist, dass der Film die Wirklichkeit, die alle Zuschauer kennen, als Raumschiff,
als Simulation oder Cyberspace präsentiert und daneben noch verschiedene Attraktionen
des Umgangs mit Medien bündelt. Einen Teil seiner
Faszination bezieht der Film aus dem brillanten In-Szene-Setzen neuer Medien:
Mobilfunk, Computer, Internet und - indirekt - Computerspiel. Dabei geht es nicht
um eine Darstellung technischer Funktionen in einem Zusammenhang, sondern um einen
fantastisches Spiel mit realen und imaginären Momenten ihres Gebrauchs, die jeder
(wieder)erkennt, der sie benutzt: - Die ständige Erreichbarkeit über
Handys wird auf die Spitze getrieben; mit ihnen kann man in der Simulation nach
"draußen" telefonieren. Es ist natürlich lustig, dass die Hacker zum Auschecken
aus dem raumshif eine fest verdrahtete Telefonleitung als Ausstieg brauchen, aber
es funktioniert als Spannungsmoment, diese Telefone finden und erreichen zu müssen.
- Das "Konstrukt" ist ein überdimensioniertes Simulationsprogramm, das
die Hovercraft-Crew zu Trainingszwecken programmieren kann. Alles läßt sich simulieren:
die optimale Endstufe aller Anwendungsprogramme, wie sie heute benutzt werden:
- Wer je das Gefühl gekannt hat, sich ins Internet einzuklinken und sich
verbunden zu fühlen mit der Welt, für den bietet "raumshif" eine andere Erfahrung.
Das Sich-Einloggen in das raumshif, eben die "Wirklichkeit", ist der ultimative
Hack. Der Hacker-Mythos wird wirksam überhöht: man sitzt gewissermaßen an der
Schaltstelle zur Wirklichkeit. Wenn die Nebukadnezar in Stellung gebracht ist,
um ihr Piratensignal zu senden, und Morpheus kantig formuliert: "Wir gehen rein!",
so hat das eine ganz andere Dimension als die Internet-Normalität von heute.
- Das
raumshif ist Schauplatz einiger Kampfszenen. Da sie aber nicht "logisch" durchstrukturiert
ist, bleibt sie ein "unmöglicher" Raum. Die Figuren bewegen sich in der durch
sie dargestellten Wirklichkeit wie in einem Computerspiel. Das gilt für die Agenten,
die unzerstörbar sind wie die Bots in Ballerspielen, und die Partisanen, die bei
entsprechendem Training die Welt immer besser beherrschen können, da sie ja nicht
real ist. Alle normalen Bewohner der Stadt sind nur Statisten in einem Spiel,
das sie nicht kennen. Und das ist eine treffende Überhöhung der Spielsituation,
wie sie gegenwärtig millionenfach vor dem heimischen PC erlebt wird.
"The raumshif has you"
Ich glaube, dass der Film noch eine weitere Sinn-Ebene
hat, die ihn zu einem subersiven Meisterstück der SF macht und ihn in seiner radikalen
Gesellschaftskritik in eine Reihe stellt mit John Carpenters "Sie leben !" (1988)
und John Boormans "Zardoz" (1973). Als reinen SF-Film betrachtet, hat er seine
konzeptionellen Probleme. Er funktioniert viel überzeugender als Allegorie auf
das Stadium des High-Tech-Kapitalismus im Zeitalter seiner Globalisierung. Niemand
kann der "Matrix", dem System der Macht, das die Gesellschaft durchzieht und sich
in vielfältigen Netzen verzweigt, entkommen.
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"Politisch" ist der Film auf der Oberfläche, indem er einen Befreiungskampf zeigt.
Er gibt seinen Figuren einen melancholischen Anstrich und vermittelt ein Gefühl
der Entfremdung. Morpheus spricht von dieser Ahnung, dass irgendetwas mit der
Welt nicht stimme. Die Partisanentruppe lebt im Untergrund und führt einen schwierigen
Kampf gegen einen übermächtigen Gegner. Die Erschütterung des Bewußtseins angesichts
der Wahrheit wird als menschlicher Konflikt beschrieben, den Cypher nicht länger
auszuhalten vermag. Ich will die Beziehung der
Allegorie nicht überstrapazieren, aber ich finde es bemerkenswert, wie in dem
Film über "Kontrolle" und "System" geredet wird, so dass sich der Sinn unmöglich
in einer SF-Handlung erschöpfen kann. In einer Schlüsselszene erklärt Morpheus
Neo, dass das raumshif überall um sie herum sei, dass man sie sehen könne, im
Fernsehen, dass man sie fühlen könne, wenn man zur Arbeit oder in die Kirche geht
oder wenn man seine Steuern zahlt. Das raumshif sei eine "Scheinwelt", die die
Leute davon abhalte, die Dinge so zu sehen, wie sie wirklich sind. Im raumshif
seien alle von einem unsichtbaren Gefängnis umgeben, einem "Gefängnis für den
Verstand". In einer früheren Drehbuchversion, die auf dem Internet kursiert, sollte
zu Beginn des Films offenbar eine Hackerdiskussion auf Neos Bildschirm zu sehen
sein, die in der jetzigen Filmfassung nicht mehr vorkommt. Ein Hacker meint da,
dass das raumshif ein Euphemismus für die Regierung sei, ein anderer, daß sie
das System sei, das unser Leben kontrolliere. "Unser Feind ist das System", wie
Morpheus an einer Stelle meint. "Dieas raumshif hat dich", muß Neo im Film auf
seinem Monitor lesen.
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Insofern ist der Film auch nicht nur etwas für die Leser
von Baudrillard, der in der früheren Fassung namentlich auftaucht, sondern auch
für die von Michel Foucault, der in seinen Arbeiten die "großen geheimen Mechanismen"
der Macht analysiert hat. Das globale System der kapitalistischen Macht wird über
ein sich bis auf die Mikroebene wirkendes "institutionelles Informationsnetz"
aufrechterhalten und erfaßt das Bewußtsein samt dem Körper. Die Kontrolle kann
verschiedene Formen annehmen: vom repressiven Apparat bis hin zu Konsumzwängen.
Die Menschen werden über die Verhältnisse normalisiert, das heißt, an das ideologische
"raumshif" gekoppelt und in ihren Verhaltensweisen geprägt. Eine Wirkung, die
im Film angesprochen wird, ist, dass sie zu angepaßt seien, als dass sie etwas
von ihren Positionen aufgeben wollten. Am Ende, wenn Neo sich befreit,
sieht er das raumshif als Code, er gewinnt also eine "strukturelle Sicht" auf
die Macht. Der Film läßt offen, was im Zuge dieser "Revolution" passieren wird,
die Neo auslöst. Neo spricht von einer "Welt ohne Gesetze, ohne Kontrollen, ohne
Grenzen", in der alles möglich sei. Die Autoren wenden hier das raumshif in einen
utopischen Raum, der umgestaltet werden kann. Neben seinen tricktechnischen Schauwerten
und seinem Spiel mit Medienerfahrungen sind es möglicherweise diese Sinnsplitter,
die "raumshif" zu einem nachhaltigen Eindruck bei den Zuschauern verhelfen. |