#siehe Kinderbuch
ueber Commodore ...#
"Ein (...) Interview mit Slavoj Zizek
(...)
läßt sich aus dem Bewußtsein des Netzes herunterladen
(...)"
"»Seit der Computer die Beziehung zwischen meinem
Geist und der Bewegung (welche ich als solche erfahre) meiner Gliedmaßen (in der
VR) koordiniert, kann man sich leicht einen Computer vorstellen, der Amok läuft
und sich wie ein böser Gott verhält, die Koordination zwischen meinem Geist
und körperlicher Selbsterfahrung stört wenn das Signal meines Geistes meine
Hand zu heben in der (virtuellen) Realität ausgesetzt wird oder ihm gar entgegengewirkt,
so ist die basalste #Erfahrung des Körpers
als »meinem« unterwandert#
«
Pest der Phantasmen, S. 117"
(MARTIN B. MÜNCH.
"Eine Einladung, Zizek zu lesen". wortlaut.de. 1999)
Manchem
VirtualReality-Spieler wurde schwindelig.
"where metaphor becomes
reality"
"Cyberspace is the electronic internetwork materialized
within the artifacts and
assemblages of the Electrical Infrastructure, a symbolic
new architecture
representing electrical space-time, aesthetics, and culture.
Its precedence is
in the sublime, where metaphor itself becomes reality."
(Date: Sat, 14 Jul 2001 12:35:06 -0800
To: <nettime-l bbs.thing.net>
From: brian carroll <human electronetwork.org>
Subject: <nettime>
Seeing Cyberspace : public domain
Sender: nettime-l-request bbs.thing.net
Reply-To: brian carroll <human electronetwork.org>)
Phantasma,
Fantasie, Phantom
kunstarm.gif, ein reelles Phantom ("Man fuehlt einen Arm, wo keiner
ist!").
Herder's Diktum vom "Mensch als Maengelwesen" (vgl.
Gehlen's Anthroplogie) ...
Ist der kuenstliche Arm ein Implantant in
der Psyche des Einarmigen? Ist Psyche biologisch-materialistisch im oder am Gehirn?
Ist ein Psyche-Implantat die McLuhan'sche Verlaengerung des Nervensystems?
"Es faellt auf, dasz in den "Star Wars"-Filmen stets irgend
jemand am Arm verletzt wird, ihn komplett, zumindest aber die Hand verliert. In
"Star Wars" wird C-3POs Arm beim Angriff der Sandleute abgerissen, waehrend
Obi-Wan Kenobi beim Besuch der Bar von Mos Eisley einem intergalaktischen Schwerverbrecher
mit seinem Laserschwert den Arm abschlaegt. In "Das Imperium schlaegt zureuck"
greift Luke zum Laserschwert, um sich gegen das zottelige Wampa-Eisungeheuer zu
verteidigen, und trennt ihm den Arm ab, waehrend er selbst seine Hand beim Kampf
gegen Darth Vader verliert. In "Die Rueckkehr der Jedi-Ritter" wird
Luke in die Hand geschossen, waehrend Leia an der Schulter verwundet wird. Auch
Darth Vader erwischt es diesmal: er verliert seine Hand durch Luke. Woher Georges
[Lukas] Vorliebe fuer diese "Arm ab"-Szenen kommt, wurde bisher nicht
geklaert." (Joe Mueller. _Galaktisches Kino: Ueber das Star-Wars-Phaenomen_.
Berlin: Ullstein, 1999. S. 50)
Hand und Arm erscheinen in ihrer
somatisch-semiotischen Funktion als 'Instrumente des Geistes' wie Repraesentanten
der Koerper-Teiligkeit. Der Koerper, die subjektive Vorstellung von ihm als geschlossenem
und der Koerper als Einheit, die dem Subjekt eigen ist, werden in der Erfahrung
der Abtrennung immer wiederholt. Der Koerper *in* seiner psychischen wie biologischen
Teiligkeit, der Fantasie der psychoanalytischen Biotechnik, und *auszer* seiner
ebenso psychischen wie biologischen Einheit, dem Phantasma des Egos, wird im Cyborgarm
symbolisch biologisch ueberwunden und dennoch wieder instandgesetzt. Koeper ist
keine Tatsache, keine Wahrheit, keine Anthroposophie, kein reiner Masztab (wie
bei #DAVINCI was? wo?#), sondern wird zu einer Option, die mit der postfordistischen
Ideologie/Idee der Module aufgeladen ist - Luke Skywalker erhaelt eine neue, eine
kuenstliche Hand! Es ist so, als ob Regisseure versuchen, diese #Wieder-Holung
des Koerpers# in seiner seiner Aufloesung und wieder Komplettierung im Zustand
einer kulturellen Skepsis immer wieder durchzuspielen (-> vgl. z.B _Die Fliege_
von David Cronenberg, -> "Work Your Body" [Technokultur vs. Technikkultur]
-> Vortrag "Technologisches und Aesthetisches. Synergieeffekte in der
Popkultur" von Gabriele Klein anlaeszlich "Ver-Sprechen und Ver-Sagen
in der Technikkultur: Technologien als Diskurse". Tagung der Sektion Kultursoziologie
vom 3.-5. Dezember1999 im PR-Kolleg Berlin.) ...
Jacob
Epstein. "The Rock Drill", 1913-15 Rekonstruktion 1974. aus: Karin Orchard
(Hg.) _BLAST: Vortizismus - die erste Avantgarde in England 1914 - 1918_. Hannover:
Sprengel Museum Hannover, 1996. S. 224 .
#Epstein -> Jungesellenmaschinen
/ Les Machinbes Célibataieres: Fusznote S. 63 verknuepft mit S. 54: Epsteins
Rock Drill-Cyborg-Chimaere wird von Guenter Metken als Frankenstein-Prometheus-Warnung
gelesen und Epstein in dieser Konnotation direkt zitiert; bezogen auf Produktionsmittel
Menschmaschine-> S. 131#
Harald Szeemann. _Jungesellenmaschinen / Les
Machinbes Célibataieres_. 1975.
Die Figur "halb Mensch, halb
Roboter" (FR, 7. Sept. '96) - Menschverstaerker - ist kein Imago im Unbewuszten
mehr, da es gewordenes Bild ist - wie ein Vorbild fuer Roboter, Cyborgs und Jets
in den Mangaserien.
Cannon
aus: Kenichi Sonoda. _Exaxxon: The Cannon God_ Berlin: Egmont, 2001. S. 28 .
§
Der Roboter arbeitet golemgleich fuer den Herren Menschen, der Cyborg ist die
Verschmelzung des Menschen mit der Maschine oder die Mutation des Menschen zur
Maschine, Jets sind von Menschen gesteuerte Maschinen / Maschinen, die Menschen
steuern.
Epstein musste die Figur aus Gips dem "ready-made"
Felsbohrer (Rock Drill) zuerst anpassen. Seine Formen muessen die Formern der
einfachen Maschine ueberhoehen und den weit vom biologisch Moeglichen entfernten
fantasierten Koeper einer neuen Spezies (?) bedrohlich nah bringen --- kantiges
Zurschaustellen des Technoiden, oder die pallische Stellung, die den Uebermenschen
in der Gesellschaftsmaschine produzieren soll. kantiges Zurschaustellen des Technoiden
heiszt das Maschinen-Technische vom Organisch-Biotischen abgrenzen, heiszt neben
die 'bisherige' 'natuerliche' Natur eine "kuenstliche Natur" stellen.
Die Figuren Cannon und Rock Drill haben keine Funktion auszer der Darstellung
maschineller + sexueller Macht (Machtmaschinen), die sich auf ein Begehren stuetzt.
"Die Bezeichnung Cyborg ist eine Abkürzung für #cybernetic organism#. Ansich ist das ein Pleonasmus, denn der Organismus ist Idealtypus eines sich selbstregulierenden Systems. [...]
Die Momente der Umwälzung und des gänzlich Neuen im Zusammenhang mit einem völligen Einlassen auf die Technik erscheinen ebenfalls in den Techno-Phantasmen Ernst Jüngers. Auch teilt er mit dem Futurismus die Begeisterung für den Krieg, der Grenzsituation, die die Sinne des Menschen zu technischer Präzision schärft. Der Prognose des Futuristen Enrico Prampolini, daß »der Ausbruch des Krieges [...] die europäische Sensibilität schärfen« wird, kann Stoßtruppführer Jünger (später Käfersammler) nur zustimmen. Er beschreibt den Cyborg in der Gestalt des Arbeiters, der als »neues Menschentum« auftritt, das sich durch die »Verschmelzung des Unterschieds zwischen organischer und mechanischer Welt« auszeichnet. Als Symbol dieser Identität von Fleisch und Maschine gilt ihm die »organische Konstruktion«. #Technik wird# einverleibt; sie wird #Organ#: »In bezug auf diese Werkzeuge selbst ist von organischer Konstruktion dann zu sprechen, wenn die Technik jenen höchsten Grad von Selbstverständlichkeit erreicht, wie er tierischen oder pflanzlichen Gliedmaßen innewohnt.« (Jünger 1982, 187)
[...]
Wird
die totale Mobilmachung Ernst Jüngers jetzt durch die totale Optimierung
ersetzt bzw. ergänzt? Der Cyborg dient nicht nur als Metapher des ganz Neuen,
sondern auch des ganz Anderen, das gerade die Unifizierung im Phantasma des Neuen
Menschen zu zerbrechen scheint. #Die amerikanische
Biologin, Wissenschaftshistorikerin und Feministin Donna Haraway sieht in den
grundsätzlichen Möglichkeiten zur Neuanordnung von Grenzen, die die
Gen- und Cyborgwissenschaften hervorbringen, die Chance abzuweichen.#
Es ergibt sich die Möglichkeit, »unsere eigenen Grenzlinien in die Welt
zu zeichnen.« (Haraway 1995, 174) Cyborgs erscheinen als Mischwesen, deren
Mischungsverhältnisse sich stets ändern können, offen und unklar
sind. Ihre Subjektposition wird nicht durch einen natürlichen Körper
verdinglicht und als natürlichste Sache der Welt ins Feld patriarchaler Macht
eingefügt, vielmehr scheinen Cyborgs sich als »un/an/geeignete Andere«
den Praxen hierarchischer Herrschaft zu entziehen: »Eine Cyborg-Subjektposition
resultiert aus und führt zu Unterbrechungen, Lichtbeugungen, Neuerfindung.«
(191) Wie die Verschiebung von Schriftzeichen einen Text völlig verändern
und verfremden kann, #so gibt der Cyborg endlich
auch einen Körper, der es dem Subjekt erlaubt, sich den allgemeinen und autoritären
Zuschreibungen und Formen zu entziehen.# Ist der Cyborg eine neue Hoffung,
sozialen Machtverhältnissen zu entkommen?
"[...] so ist die
basalste Erfahrung des Körpers als »meinem« unterwandert
" - Die englischen
Vortizisten, abweichendes und vielweitergehendes Pendant zu den italienischen
Futuristen, deuten das positiv. Technokultur vs. Technikkultur
In den Medien und in der Science-fiction erscheint der Cyborg als verkörperte Imagination des Subjekts per se. Ob als »Robocop«, »Universal Soldier« oder »Terminator«, um nur einige seiner Erscheinungsweisen zu nennen, immer rumort unter der oberflächlichen Programmierung das Subjekt. Schließlich bricht das Ich wie ein Phoenix aus dem technischen Unbewußten hervor und übernimmt die Kontrolle über den superpotenten Technokörper. #Der Cyborg erscheint von vornherein als vereinzelter Körper, als Individuum; die technische Kontrolle gilt als aufgesetzt und dem menschlichen Inneren als letztlich wesensfremd. Implizites Versprechen der imaginären Cyborgs ist also das Subjekt selbst. Läßt sich die mediale und literarische Identifikation mit dem Cyborg also als eine Art zweites Spiegelstadium auffassen? Ist der Cyborg die Körper-Imago, die eine sich im Netz verstrickende Subjektivität retten hilft? Oder ist dieses Versprechen eine Täuschung?#
[...]
Die Cyborg-Imago flimmert nicht nur über die Leinwand, lebt nicht nur in den Seiten von SF-Romanen, sondern, nachdem wir immerhin das könnte von Baudrillard gelernt werden spätestens seit den 60er Jahren in der Zukunft angekommen sind, diskutiert sie auch in wissenschaftlichen Diskursen mit. #Die Bezeichnung Cyborg wurde zum erstenmal 1960 von den australischen Wissenschaftlern Manfred Clynes und Nathan Kline geprägt. Sie arbeiteten für die NASA an einem Unternehmen, Möglichkeiten der Anpassung des menschlichen Körpers an Bedingungen im Weltraum zu erforschen.# Diese Initialforschung weitet sich aus zu einem wissenschaftlichen, wenngleich in den Sechzigern noch hypothetischen Projekt des universellen Umbaus und der gezielten Rekonstruktion des Menschen. Imaginiert wird ein äußerst abgehärtetes Menschenwesen, das in extremen Umwelten existieren können soll: Ein solcher Cyborg hat keinen Verdauungsapparat mehr; damit werden auch Zähne und Kiefer überflüssig. Eventuell wird sogar der ganze Mund ersetzt, falls Kommunikation über eine permanente Funkverbindung, eine Art technischer Telepathie, abgewickelt werden kann. Einige Bio-Bausteine des Körpers sollen zwar erhalten bleiben (z.B. Gehirn, Muskeln, Haut, Skelett), aber die bisher unwillkürlichen Funktionen des Organismus, werden nun bewußt kontrolliert. Zusätzlich werden im Körper osmotische Pumpen implantiert, die Nährstoffe, Medikamente oder Drogen nach Bedarf zuführen können (Lem 1981, 583f).
Interessant an dieser Subjekt-Imago um eine solche handelt es sich auch hier, denn der Körper wird der absoluten Kontrolle des Bewußtseins unterworfen ist insbesondere der Ausschluß des Verdauungssystems aus dem Körper. Gewiß, unter Schwerelosigkeit wird der Stoffwechselprozeß zum Problem, aber dennoch drängt sich eine psychoanalytische Interpretation dieses Interesses an der Verdauung geradezu auf, und sie zeigt, wie sehr die Cyborg-Imago im Netz zappelt. Was wird eigentlich ausgeschlossen? In der sadistisch-analen Phase der Sexualentwicklung konstituiert sich Geschäftsfähigkeit, denn das Kind kann selbst entscheiden, ob es seinen Kot als Gabe verweigern oder ob es ihn als Geschenk darbieten möchte. Damit bieten sich neue Möglichkeiten aggressiver Welteinwirkung, die in der Verweigerung der Gegengabe bestehen. Gilt die technische Säuberung des Körpers dieser unbewußten Bedeutung des Stoffwechsels? Zumindest erscheint es plausibel, daß diese technische Verdrängung die triebökonomische Basis der Rechtsperson und die psychischen Grundlagen schöpferischer Produktivität dementiert. Produktivkraft wird zu einer rein mechanischen Funktion ohne Spontanitätsüberschuß, die weder entfremdet werden kann, noch angeeignet werden muß. > Innenleben
[...]
Dadurch, daß der Körper dem Stoffwechsel mit der Natur entzogen und totale weil den Körper ohne Rest unterwerfende Subjektivität erzeugt wird, setzt sich das Subjekt über die vermittelte Geschäftsfähigkeit seines bürgerlichen Typus hinweg. Bedenkt man die Tatsache, daß Geld in der Sprache des Unbewußten das Symbol für Kot ist, läßt sich die Konstruktion der Cyborg-Imago nahtlos mit den Phantasmen unmittelbarer Identität im vernetzten Technokollektiv zusammenführen: Die Zirkulationssphäre, die zwielichtige, unklare und kritische Vermittlung sozioökonomischer Prozesse durch das Medium des Geldes wird symbolisch abgespalten. Insofern #verbindet sich der Cyborg organisch mit der Idee universeller Vernetzung menschlicher Restkörper (Gehirne) und künstlicher Intelligenzen zu einem telematischen System, wie es u.a. der Medienphilosph Vilém Flusser entworfen hat (Flusser 1992; vgl. Spreen 1995).#
Was meint der Cyborg, wenn er [...] vom Subjekt spricht? Die Abstoßung des inneren Stoffwechsels, die unbedingte Kontrolle des technisch aufgerüsteten Körpers, die Beseitigung der Sprache duch eine Kommunikation unmittelbaren Anschließens, münden alle diese Phantasmen nicht genau darin, »das eigen Menschliche, das Es, die Produktivkraft des Unbewußten in sich zu beherrschen, von sich abzustoßen«? (Theweleit 1980, 162)
[...]
Der reale Cyborg spricht im Diskurs der Humanmedizin. Welche Aussagen, welche Wissenskonfigurationen und welche Kontexte bilden den realen Text, den der Cyborg heute spricht (der er ist) gewissermaßen jenseits der Zukunftsvisionen? Aus welchen materialen Elementen besteht sein Diskurs?[...]
b) Künstliche Implantate: Durch den realen Cyborg-Diskurs geistert der gesunde Mensch. Ein anderes, künstlich-technisches und klassisches Element dieses Versprechens sind Prothesen. Sie dienen schon lange verstümmelten und unvollkommenen Körpern als Überlebenshilfe. Inzwischen hat ihre Technik einen beinah perfekten Stand erreicht: Mit porösen Titanlegierungen beschichtete Prothesen verwachsen mit den Knochen und geben einen Halt, der sie zunehmend komfortabler macht und »ein ganz irres Lebensgefühl« ermöglicht (bild der wissenschaft 9/1994, 24ff).
#Prothesen sind bereits eine Ausweitung des Nervensystems: Nehmen Sie einen Bleistift in die Hand, schließen Sie die Augen und tippen Sie vorsichtig auf eine Tischfläche. Wo ist Ihr Empfinden? In den Fingerkuppen oder in der Bleistiftspitze? Inzwischen ist es möglich technische Implantate zu konstruieren, deren elektrische Leiter mit Nervenfasern verbunden sind. Dies ist der Fall beim »Cochlea-Implant«, einem Radio im Kopf, das im Falle einer bestimmten Art von Taubheit in die Ohrschnecke implantiert wird. Ein Mikrophon erfaßt akustische Daten aus der Außenwelt, die ein Mikroprozessor verarbeitet. Durch Radiowellen werden diese Informationen an den im Kopf eingepflanzten Empfänger-Stimulator übermittelt, der sie in elektrische Impulse zurückverwandelt und den Hörnerv reizt (Oeken u.a. 1993, 281f). Die Frage, ob elektrische Telepathie möglich ist, wird rhetorisch.#
[...]
Der Körper verschmilzt mit seinen künstlichen Implantaten. Dagegen mit Entfremdung (Virilio 1994) zu argumentieren, wirkt ziemlich hilflos. »Der Mensch«, so wird der Cyborg antworten, »hat schon immer technische Instrumente benutzt, ist von daher sowieso ein künstliches Wesen.« Und recht hat er: um Entfremdung geht es schon lange nicht mehr.
c) Neue Organe: Daß elektrische Netze, Computer insbesondere, als Ausweitungen des zentralen Nervensystems, mithin als neue Körperorgane, gesehen werden können, ist nicht bloß die Spekulation eines kanadischen Professors für englische Literatur. Das Auge beispielsweise kann als elektrischer Dipol betrachtet werden, dessen willentlich herbeiführbare Zustandsveränderungen von einem entsprechenden Interface gemessen und interpretiert werden können. Behinderte mit schweren Rückenmarksverletzungen oder durch amyotropische Lateralsklerose Gelähmte können dadurch einen Computer bedienen und als Kommunikationsprothese benutzen. Ein solches Interface am Auge gibt dem reinen Wahrnehmungsorgan zusätzlich instrumentellen Charakter; es kann z.B. genutzt werden »einem Chirurgen das Steuern eines Endoskops während der Operation mit den Augen zu ermöglichen.« (Lusted/Knapp 1996, 74). Per »Biomuse«, einem universalen Interface zwischen Computern und elektrischen Signalen im Körper, können Muskelströme abgelesen und zur Steuerung von Instrumenten benutzt werden. Analog können auch Hirnströme gemessen (EEG) und so verarbeitet werden, daß die Gedanken unmittelbar körperexterne Geräte steuern können wie die eigene Hand. Die amerikanische Luftwaffe experimentiert mit diesen Möglichkeiten, in der Hoffnung auf zusätzliche Kontrollmöglichkeiten, »die die Piloten auch dann nutzen können, wenn ihre Hände und Füße bei schwierigen Flugmanövern beschäftigt sind.« (ebd., 78). Das Flugzeug funktioniert als Körper des Piloten, und umgekehrt ist der Pilot der Servomechanismus seines Fahrzeugs er ist mit ihm zu einem kybernetischen System verschmolzen.
#Der Cyborg verspricht gehandicapten Körpern ein besseres Weltverhältnis.# [...]
d) Neue Sinne: Nicht nur aus der Medizin, sondern auch aus der Industrie kommt ein weiteres Versprechen des Cyborgs: Er verspricht neue Selbsterfahrungsmöglichkeiten und neue Sinnlichkeit. Organische dünne Schichten (»organic thin-films«) aus Proteinen, Enzymen usw., eingefaßt in Kunststoffmembranen, erweisen sich wahlweise als äußerst feinfühlige Biosensoren oder Energieemitter. Damit wird es prinzipiell möglich, organische Geräte zu bauen, beispielsweise »TVs that you can hang flat on the wall or roll up and put in your pocket« (Science, Vol. 273, 16.8.1996, 878). Organische Transitoren erreichen inzwischen Schaltgeschwindigkeiten, die an jene ihrer Siliconkollegen heranreichen (ebd., 879). Mit genetisch programmierten Bakterien als Motor verbunden, sollen organische dünne Schichten als Biosensoren das Innere des Körpers erforschen und winzige implantierte Pharma-Pumpen steuern, die dann ein künstliches und vor allem kontrollierbares Immunsystem bilden (Bertrand 1993). Der Cyborg ist online mit seinen Cholesterinwerten. Über Fragen, die das Verhältnis von Geist und Körper behandeln, macht er sich keine Gedanken, denn er ist mit sich selbst gleichgeschaltet Descartes hat zu sich selbst zurückgefunden.
e) Gentechnologie: Werden in Zukunft genetische Manipulationen vorbeugend die diversen Abwehrreaktionen therapieren, mit denen der Körper auf übermäßige Technisierung oder auf organische Fremdpartikel in seinem Innern zu reagieren pflegt (Immunreaktionen, Phantomschmerzen, Schock)? Offensichtlich ist der menschliche Körper nicht immer in der Lage zu erkennen, was gut für ihn ist, sodaß es sich als medizinisch-ethisch gerechtfertigt erweisen kann, einen zum Implantat passenden Körper zu züchten. Wäre es nicht verantwortungslos, kommende Generationen leiden zu lassen, indem man ihnen die Einlösung der Versprechungen des Cyborgs verwehrt?
Sollen wir dem Cyborg eine Chance geben? Obwohl die Frage von Medizin, Industrie, Wissenschaft und Politik schon entschieden scheint, lohnt es sich vielleicht doch, sie erst einmal zu stellen. Gestellt hat sie, als offene Frage, meines Wissens nur Donna Haraway. Sie spricht für den Cyborg, aber sie diskutiert mit ihm und setzt ihn unter Zwang, sein Wort zu begründen. Eine andere Frage ist, ob diese Gründe überzeugen. #Handelt es sich um Versprechungen oder um Versprecher?#
Wenn
man Haraways Cyborg-Metapher für den Moment beiseite schiebt, dann versprechen
sowohl metaphorische wie imaginäre und reale Cyborgs einen sich selbst gleichen,
mit sich selbst identischen Menschen. Diese Subjektposition läßt sich
als »fraktal« kennzeichnen. Das fraktale Subjekt träumt davon,
»jedem seiner elementaren Bestandteile zu gleichen« (Baudrillard 1986,
6). Von nichts anderem spricht der Cyborg, der sich aus sich selbst recycelt!
Und das Ergebnis? »Das Ende vom Ende ist es, nur noch sich selbst
zu gleichen, was einen von der Angst befreit, den anderen zu gleichen
das heißt, sich überall selbst wiederzufinden, umgesetzt, aber mit
der eigenen Formel identisch: überall geht man gleichzeitig mit den gleichen
Voraussetzungen über die Bildschirme.« (ebd., 7) Die Versprech/er/ungen
des Cyborgs münden in der vollkommenen Implosion des Selbst. Was er ver-spricht,
das hält er.
[...]
Literatur
Baudrillard,
Jean. 1986. Subjekt und Objekt: fraktal, Bern
Berr, Marie-Anne. 1994. Die
Kadenzen der Schöpfung: Gott Mensch Maschine, in: Dietmar Kamper/Christoph
Wulf (Hrsg.). Anthropologie nach dem Ende des Menschen, Frankfurt am Main, 1994,
S. 203216
Bertrand, Ute. 1993. Allheilmittel Information. Gen- und Informationstechnologien
sollen das Gesundheitsmanagement optimieren, in: Wechselwirkung, Nr. 62, August
1993, S. 914
Flusser, Vilém. (4)1992. Ins Universum der technischen
Bilder, Göttingen
Futuristen. 1985. Drahtlose Phantasie. Auf- und Ausrufe
des Futurismus, Hamburg/Zürich
Haraway, Donna. 1995. Monströse Versprechen.
Coyote-Geschichten zu Feminismus und Technowissenschaft, Berlin
Huxley, Julian.
1965. Ich sehe den künftigen Menschen. Natur und neuer Humanismus, München
Jünger, Ernst. 1982. Der Arbeiter. Herrschaft und Gestalt, Stuttgart
Koechlin, Florianne. 1996. 93% Mensch, 7% Schwein. Xenotransplantationen bringen
neue Gefahren und ethische Probleme, in: Wechselwirkung, Juni 1996, S. 711
Lem, Stanislaw. 1981. Summa technologiae, Frankfurt am Main
Linke, Detlef
B. 1996. Hirnverpflanzung. Die erste Unsterblichkeit auf Erden, Reinbek
Lusted,
Hugh S./Knapp, Benjamin R. 1996. Computersteuerung mit Nervenimpulsen, in: Spektrum
der Wissenschaft, 12/1996, S. 7278
Oeken, Friedrich-Wilhelm/ Plath,
Peter/ Federspil, Pierre. (7)1993. Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Berlin
Spreen,
Dierk. 1995. Technotext und Technokörper Visionen eines neuen Heils,
in: Quarber Merkur, Nr. 84, Dez. 1995, S. 316
Theweleit, Klaus. 1980.
Männerphantasien, Bd. 2, Männerkörper zur Psychoanalyse
des weißen Terrors, Reinbek
Virilio, Paul. 1994. Die Eroberung des Körpers.
Vom Übermenschen zum überreizten Menschen, München/Wien
Wiener,
Norbert. 1964. Mensch und Menschmaschine. Kybernetik und Gesellschaft, Frankfurt
am Main/Bonn"
aus: Dierk Spreen. "Was
ver-spricht der Cyborg?". ÄSTHETIK & KOMMUNIKATION
96 (März 1997)
"[Der #Mensch
als Mängelwesen# hingegen ist] mit seiner geringen angeborenen Ausstattung
an Sinnesleistungen, organischen Waffen und Schutzmitteln und seinen kaum vorhandenen
(oder zurückgebildetren?) Instinkten in einer rein natürlichen Umwelt
überhaupt nicht lebensfähig, dafür ist er entschädigt (und
mehr als nur entschädigt) durch seine Weltoffenheit, als durch seine nicht
durch Instinkte eingeengte und nicht auf eine bestimmte Umweltstruktur beschränkte
Wahrnehmung und Lernfähigkeit, die mit seinem aufrechten Gang, dem in die
Weite und nach oben (zum Firmament) reichenden Blick, der Ausbildung seiner Hand,
der Plastizität seiner Motorik ein gleichsam integriertes System bildet und
ihn in den Stand setzt, durch planmäßiges und gemeinschaftliches Handeln
die äußere ihm widrige Natur so zu verändern, daß er in
ihr leben kann. ..." [*] [...]
Die Unterscheidung in Natur-Wesen (Tier) und Nichtnatur-Wesen (Mensch) hin zur Begruendung des Menschen unterliegt einer etwas verschobenen Kategorisierung, auch Tiere veraendern Natur und balancieren Maengel aus, Menschen balancieren ebenfalls Maengel aus indem sie neue Einheiten konstruieren, die 'Natuerliches' qualitativ erweitern.
[...]
Quellenangaben:
- Gehlen, Arnold: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt. 13. Aufl. Wiesbaden: AULA 1997
[*] - Störig, H.J.: Kleine Weltgeschichte der Philosophie 2. Auflage Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1999
-
Schüßler, Werner (Hg.): Philosophische Anthropologie. Freiberg, München:
Verlag Karl Alber 2000"
aus: Ulrike Bellmann. "Arnold
Gehlen: Der Mensch Seine Natur und seine Stellung in der Welt. Der Mensch
als Mängelwesen im Tier-Mensch-Vergleich, 2001
http://rcswww.urz.tu-dresden.de/~ms622738/Arbeitskreis/essays/Gehlen_Ulli.htm
. [21.11.2002]